Barn der Barbar saß an einem wackligen Tisch einer Garküche in der Brunnengasse und starrte missmutig auf den Teller vor sich. Drei Scheiben Rotwurst, deren graugrüne Farbe wenig Vertrauen erweckte, lagen darauf. Das war alles, was er für die letzte Kupfermünze aus seinem Geldbeutel bekommen hatte.
    Draußen, in der Wildnis, hätte er längst schon ein Kaninchen oder ein
    anderes kleines Tier gefangen und zum Frühstück gebraten, aber hier,
    inmitten der verwirrenden Menge von Straßen, Gassen, Plätzen und Mauern, kam
    er als Jäger nicht weit.
    Das hatte er früher am Morgen erfahren müssen, als er auf dem Markt versucht
    hatte, ein Huhn zu jagen, und der Besitzer des Huhns, ein aufgebrachter
    Bauer, die Stadtwache gerufen hatte.
    Nur die langen, muskulösen Beine hatten den Mann aus dem wilden Norden vor
    ein paar Tagen am Pranger bewahrt.
Was die Laune und den Hunger des Barbaren noch schlimmer machte, war ein dicker Kerl in der Tracht eines Fassmachers, der am Tisch gegenübersaß und sich Mengen von Platten und Tellern hatte kommen lassen, die von Hartwürsten, gebratenen Eiern, gegrilltem Fleisch und köstlich duftenden, knusprigen Brötchen geradezu überquollen.
    Schon seit einiger Zeit überlegte der Barbar, wie er den Dicken so lange
    ablenken könnte, dass er sich ein paar Würste und Brötchen greifen
    konnte.
    Aber so geschickt er auch als Krieger und Jäger mit seinen Waffen umgehen
    konnte, als Dieb taugte er nicht viel. Seine Finger waren dick, und eher
    dazu geeignet, Dinge zu zerquetschen, als sie schnell, elegant und effektiv
    zu entwenden.
    Während der Barbar noch grübelte, hatte der Gott der Nordmänner, der
    frostgraue, ewig benebelte Gruunz, ein Einsehen mit seinem Schaf.
    Der feiste Fassmacher am Nebentisch hatte sich zum Essen einen Humpen
    Starkbier bestellt, und aus dem trank er so gierig, dass der schäumende
    braune Saft ihm über das Hemd, die Lederschürze und die Wollhose lief.
    Prustend sprang er auf und versuchte die Bescherung abzuwischen, aber es war
    natürlich zu spät, seine Kleidung schon völlig durchtränkt. Er zerdrückte
    einen Fluch zwischen den dicken Lippen.
    "He, Hannik!" brüllte er dann, "hol' mir ein' neuen Kittel aus der
    Werkstatt!"
    Er meinte wohl den dürren Burschen, der auf der anderen Straßenseite stand
    und einen Esel bewachte. Der Bursche aber war so beschäftigt, den Inhalt
    seiner nicht gerade kleinen Nase zu erkunden, dass er von der Not seines
    Meisters nichts mitbekam.
    Der Fassmacher sprang wütend auf und überquerte die Straße.
    Mit der Schnelligkeit eines in der gnadenlosen Wildnis der nördlichen Eisöde
    aufgewachsenen Mannes erkannte der Barbar, dass dies seine Gelegenheit war:
    er stand auf und war mit wenigen Schritten am Tisch des Fassmachers. Er
    löste die Lederschnüre an seinem Hemdkragen, um sich das Hemd mit Brötchen
    und Würsten zu füllen.
    Einen letzten Blick warf er noch über die Straße – der Dicke war lautstark
    dabei, die Wut über das verschüttete Bier an seinem Lehrling auszulassen,
    und es sah nicht so aus, als würde er bald damit aufhören.
    Die Hände des Barbaren waren schon über der Hartwurst, da sah er, was sich
    noch auf der Brunnengasse bewegte: eine junge Frau, die einen großen Tonkrug
    auf der Schulter trug. Ihre Haare waren von einem Kopftuch bedeckt, was aber
    ihrem Gesicht, das die Schönheit und den Ausdruck einer mürrischen Göttin
    hatte, nichts an Wirkung nahm. Ihre Kleidung war die einer Magd, ein
    bodenlanger, weißer und ziemlich schmutziger Wickelrock und ein ärmelloses,
    weißes Hemd. Das Hemd stand über der Brust mehr als großzügig offen und
    hätte bereits einen atemberaubenden Anblick geboten, wenn es nicht völlig
    nass gewesen wäre. So war der dünne, billige Stoff fast transparent, und dem
    Barbaren sank die Kinnlade hinunter. Die großen, runden, festen Brötchen
    waren vergessen, sie waren kein Vergleich zu dem, was er jetzt sehen
    durfte.
    Er starrte der Erscheinung mit einem leicht entrückten Gesichtsausdruck
    hinterher, bis sie in eine Seitenstraße einbog.
    Dann fiel ihm wieder seine eigentliche Absicht ein. Aber dafür war es zu
    spät.
    "Hab’ Dank, junger Mann, dass du mein Frühstück so gut bewacht hast", rief
    der Fassmacher, während er sich wieder setzte. "Aber glaub' ja nicht, dass
    ich dich dafür einlade! Ich bin ein Mann, der Leib, Seele und Geldbeutel
    zusammenhalten gelernt hat. Also vergelt's dir deine Gottheit, und guten
    Appetit!"
    Er schlug dem Barbaren fest auf die Hand, die immer noch über der Hartwurst
    zögerte, nahm sich die Wurst und biss saftig hinein. Fett lief über sein
    Kinn. Trotz seiner nassen, nach Bier stinkenden Kleidung schien er sehr
    zufrieden mit sich.
    Dem Barbaren blieb nichts anderes übrig, als sich wieder hinter seine grauen
    Rotwurstscheiben zu setzen.
Bei Gruunz, dachte er, wenn ich heute den Weg zurück zum Stadttor finde, bleibe ich keinen Tag länger hier!
