"He du! Heda! He!" Der Wüstenwind wehte den Klang einer menschlichen Stimme an sonnenverbrannte Ohren, die seit Tagen nichts als das Wispern und Scharren ewig gleitenden Sandes gehört hatten.
Der Besitzer der Ohren, ein hünenhafter Krieger in
zerschlissener Wüstenkleidung, schrak jäh aus seinen fiebrigen Visionen von
kaltem Bier, Gebratenem und vollbusigen Mädels. Obwohl ihn sein langer Marsch
durch die Wüste bis zum Äußersten erschöpft hatte, reagierte der Mann mit der
Flinkheit eines hungrigen Raubtiers.
Er riss ein riesiges Breitschwert aus einer schräg über dem
Rücken befestigten Scheide. Die fließende Bewegung war kaum langsamer als das
Blinzeln eines Auges, so dass es aussah, als flöge die Waffe wie ein gezähmter
Falke von selbst in die kräftige linke Faust des Mannes.
Dann ließ er die schwere Klinge über seinem Kopf durch die
Luft kreisen.
In der linken Hand wirbelte er sie, immer schneller, bis der
Umriss der mächtigen Waffe zu einer silbernen Scheibe verschwamm, dann
wechselte er das singende Schwert in die rechte Hand und ließ es auch dort
stahlblitzende Kreise beschreiben. Plötzlich hielt er mitten im Wirbeln inne,
grunzte zufrieden und steckte die Klinge so schnell und elegant wieder zurück
in die Scheide auf seinem Rücken, wie er sie gezogen hatte.
Damit war das traditionelle Ritual des Drohens und Angebens
beendet, das in der kalten Heimat des Mannes üblich war.
Jetzt hatte er Zeit, sich nach der Ursache der Schreie
umzusehen. Er kniff die eisblauen Augen zusammen.
Mit einer schwieligen Hand schirmte er seinen Blick gegen
die Sonne ab, die trotz des frühen Morgens schon blendete wie ein weiß
glühender Dolch.
Vor ihm erhoben sich die ersten Ausläufer des Gebirgszuges,
auf den er seit Tagen zu marschiert war. Rotbraun und vom Wind zu bizarren Formen
geschliffen waren die Felsen, die ein mutwilliger Riesensäugling hier im
Grenzgebiet zwischen Sand und Stein verteilt zu haben schien. Zwischen den
Schatten der Felsen erkannte der Mann etwas Weißes, das sich wenige Augenblicke
später zu der Gestalt eines Menschen formte, die auf ihn zu lief.
Lose weiße Kleiderfetzen flatterten um diesen Menschen
herum, als verfolgten sie ihn in böser Absicht. Die Arme des Läufers befanden
sich in hektischer Bewegung, sie kreisten wie Dreschflegel auf einem Kornboden
im Spätsommer. Eine Waffe war nicht zu erkennen.
Der blauäugige Krieger wartete mit verschränkten Armen und
geringschätzig herabgezogenen Mundwinkeln. In seiner eisigen Heimat hatte er
früh gelernt, dass ein unbewegter Gesichtsausdruck wichtiger war als jedes
gesprochene Wort. Nur ein gelegentliches Zucken seiner Unterarmmuskeln zeigte,
dass er bereit war, seine Schwertkünste ein zweites Mal zu beweisen, diesmal
mit einem lebenden Körper als Ziel.
Schließlich war der Läufer herangekommen und lief mit holpernden
Schritten aus. Es war ein Mann. Er blieb stehen, stützte den gebeugten
Oberkörper auf die Knie und atmete keuchend. Dabei bekam er eine Menge des
Wüstenstaubes, den er selbst aufgewirbelt hatte, in die Kehle. Er hustete
bellend.
Der Krieger betrachtete den Mann mit gerunzelter Stirn.
Gefährlich sah der Bursche nicht aus. Seine Kleidung, die traditionelle weiße
Bellybah der Wüstenvölker und eine lächerlich weite, ebenfalls weiße Hose, war
alt, zerrissen und schmutzig. Waffen hatte er keine, er trug nicht einmal einen
Gürtel, nur eine schwarze Kordel, um die Hose zu halten.
Auch seine Schultern schienen nicht viel breiter als die
eines Mädels. Nein, ein Kämpfer war der Kerl ganz bestimmt nicht!
Aber er konnte immer noch ein Köder sein, der Lockvogel
einer Räuberbande, der einen unachtsamen Reisenden ablenken oder in einen
Hinterhalt führen sollte. Der Krieger blieb wachsam.
Endlich hatte der Mann genug gehustet und geatmet. Er
richtete sich auf und war nun größer als der mächtige Krieger, sehr zu dessen
Missfallen.
Strahlend grüne Augen lachten den Norländer aus einem
dunkelbraunen Gesicht an.
"He, danke, dass du gewartet hast, Mann! Es ist hier
wirklich nicht sehr gemütlich, so allein!" sagte er und streckte dem
Krieger die rechte Hand entgegen. "Ich heiße Jon."
Der Krieger, der nur den deftigen Schulterschlag als
Begrüßung unter Männern kannte und akzeptierte, starrte die langen, braunen
Finger eine Zeit lang an, dann grunzte er verärgert. Ein Bettelbursche! Jetzt
liefen die einem selbst in der Wüste nach!
Jon ließ die Hand wieder sinken.
"Na, dann nicht. Ist ja auch ungesund, das Handgeben,
haha", sagte er und grinste schief. Er schwieg eine Weile, rollte mit den
Augen, dann schüttelte er den Kopf und begann wieder zu sprechen. "Mein
Sandfresser, dieses versoffene Mistvieh, hat es gestern Abend fertig gebracht,
in einem Wasserloch von der Größe eines Soldatenhirns zu ertrinken, und seit
der Zeit bin ich zu Fuß unterwegs. Ist ganz schön anstrengend, im Sand zu
gehen. Und langweilig. Ich wollte mich gerade ein bisschen hinlegen, da hab'
ich dich gesehen, und ich dachte, vielleicht können wir ja ein Stück zusammen
gehen. Es gibt immer wieder Räuber und andere Gestalten in den Bergen, und vier
Arme können sich besser wehren als zwei. Obwohl...", er machte eine Pause
und schnitt eine Grimasse. "...man aus jedem deiner Arme wohl vier von
meinen Armen machen könnte."
Der Krieger kniff die Augen zusammen, runzelte die Stirn und
grunzte noch einmal. Was wollte dieser Schwätzer?
Dann beschloss er mit der Konsequenz des geborenen Kämpfers,
sich darüber keine Gedanken zu machen und einfach weiter zu gehen. Also
straffte er die Schultern - und ging weiter.
Doch der Bursche blieb hartnäckig neben ihm. Die langen,
dürren Beine hielten mühelos Schritt mit den muskulösen Schenkeln des Kriegers.
"Ich nehme an, es stört dich nicht, wenn ich neben dir
hergehe, hm?" schwatzte der Mann. Er hatte eines dieser dunklen,
aufdringlichen Gesichter, die nach der Erfahrung des Kriegers vielen Mädels
unverständlich gut gefielen. "Jemand, der dich stört, würde das wohl gar
nicht überleben, wie? Hahahahaha!"
Das Gelächter des Burschen gellte dem Krieger in den Ohren
wie das Meckern eines Ziegenbocks. Er schoss einen verächtlichen Seitenblick
auf den Mann ab, dann richtete er seine stahlblauen Augen starr geradeaus,
dorthin, wo die steigende Sonne die schroffen Flanken der Berge mit hartem,
klarem Licht übergoss.
Die Felsen rings umher wurden größer, manche hatten die Form
und Ausmaße von Stadttoren, andere wirkten wie die gigantischen Knochen
vorzeitlicher Ungeheuer, und einer hatte die Gestalt eines hausgroßen
Bierhumpens. Sogar eine Art Henkel war daran.
Barn knurrte, als er die Form erkannte. Die Götter dieses
staubigen Landes verhöhnten ihn! Es war wirklich nicht nötig, ihn auf diese
Weise daran zu erinnern, dass ihm der Durst die Eingeweide zusammen zog, bei
Gruunz!
"Sag mal, so wie deine Stiefel aussehen, hast du in
letzter Zeit kein Reittier gehabt." begann Jon erneut. Es schien ihm
schwer zu fallen, auch nur kurz still zu bleiben. "Und du kommst direkt
aus der Wüste. Bist du da zu Fuß durchgegangen?" Er wartete nicht einmal
eine Antwort ab, sondern lachte und redete weiter. "Mann, das hat bisher
wohl noch keiner geschafft! Zu Fuß durch die Scharrende Wüste! Das sind
neunzehn Tagesmärsche ohne Wasser!"
Er machte eine kurze Pause, um Luft zu holen.
"Was gab es denn so Wichtiges, dass du das gemacht
hast?"
Der Krieger bemühte sich, Jon noch deutlicher zu ignorieren
als zuvor. Ihm waren in der Wüste einige merkwürdige und verstörende Dinge
passiert, über die er mit niemandem reden wollte. Schon gar nicht mit diesem
lästigen braunen Burschen. Außerdem wurde der Boden unter seinen Füßen steinig
und uneben. Zwischen dem feinen, hellgrauen Sand wurden immer größere Flächen
nackten Felses sichtbar. Tiefe Sprünge, manche so breit wie ein Fuß, zogen sich
durch den Stein. Man musste aufpassen, wohin man trat. Deshalb senkte er seinen
Blick fest zu Boden.
Aber Jon blieb hartnäckig.
"Du bist nicht von hier, oder?" fragte er.
"Kein Garstek oder Dunggi würde seine Sonnenhaube so seltsam binden, und
deine Haare sind gelb wie trockenes Gras. Ja, und sag mal, sind das gefärbte
Tierfelle da unter deiner Bellybah? Du trägst Fellklamotten, hier in der Wüste?
Du musst ein Barbar sein!"
Jon blickte den großen Mann anerkennend an.
Der Krieger schnaubte stolz. Die Hosen und die Weste aus
lockigem Bergziegenfell hatte er sich in Thenil in den Farben seines
Heimatdorfes Täppenwinkel mit Bildern von nackten Mädels, Schwertern und
Schweinehaxen bemalen lassen, und fast sein ganzer Sold als Feldwebel der
königlichen Garde war dafür draufgegangen. Nun waren die rosa, türkisen und
gelben Zeichnungen zwar stumpf vom Staub, aber für Barn waren sie immer noch
alles an Kunst, was die Welt seiner Meinung nach brauchte.
Er hob seine Bellybah über die Brust, damit Jon alles noch
besser bewundern konnte, bis er bemerkte, dass der sich nur mühsam ein Lachen
verbiss. Da straffte er die Schultern würdevoll, hob das Kinn und schritt
schneller aus. Ein Norländer ließ sich doch von einem solchen Burschen nicht
beleidigen! Nicht von so einem, bei Gruunz!
Stur blickte er auf die schmale Schlucht voraus, in der so
etwas wie ein geröllbedeckter Pfad, das ausgetrocknete Bett eines
Gebirgsbaches, steil bergauf führte. Hoffentlich gab es weiter oben Wasser -
und etwas zu essen. Noch hatte der gewaltige Körper des Kriegers Reserven, doch
den letzten Schluck Wasser hatte er vor zwei Tagen getrunken, und gegessen
hatte er seit einer Woche nichts. Er brummte bitter. Wenn die gruunzverdammten
Berge so kahl blieben, wie sie jetzt waren, dann würde seine Seele wohl von
diesen Gipfeln direkt in die Speisehallen von Vollduunheim aufsteigen!
Doch zunächst stieg nur die Sonne, und trotz des Schattens
wurde es in der Schlucht bald so heiß wie in einem Backofen.
"Wüsten sind das Reich des Bösen. Wüsten nehmen der Welt
den Atem", erklärte Jon gerade. "Sie sind eine Barriere zwischen den
Völkern, eine kaum zu überschauende Mauer, an der sich an beiden Seiten der
Unrat von Misstrauen, Vorurteil und Hass sammelt."
Jon schien die Hitze nichts auszumachen. Er geriet sogar
immer stärker in Fahrt, schimpfte auf Könige und unmündiges Volk, wütete über
Unvernunft und Bequemlichkeit. Dabei gestikulierte er, als spräche er nicht zu
einem schweigenden Barbaren, sondern zu einer gewaltigen Volksmenge.
Der Mann aus dem Norland konnte damit ungefähr so viel
anfangen wie ein Braunbär mit einer Blumenvase.
Plötzlich blieb Jon stehen, so abrupt, dass auch der Krieger
stehenblieb und seine Linke nervös zum Schwertgriff zuckte.
"Echt scheißheiß!" verkündete der braune Mann nach
einem Blick in den blendenden Himmel. "Und das Reden macht die Kehle
trocken. Zeit für etwas Flüssigkeit."
Er fummelte in der Weite seiner Beinkleider und zog einen
ledernen Schlauch heraus, der prall war wie die Brust einer jungen Mutter.
Die Augen des Kriegers weiteten sich.
Jon löste den Stopfen und hob den Schlauch vor sein Gesicht.
Gluckernd rann das klare Wasser heraus. Es tropfte dem braunen Mann von den
vollen Lippen und stürzte in einem kleinen Wasserfall sein Kinn hinab auf den
staubigen Boden.
Da war es um die Beherrschung des Kriegers geschehen. Mit
einem wilden Grunzen riss er Jon den Wasserschlauch aus den Händen, setzte ihn
an und trank in großen, gierigen Schlucken, bis er leer war. Dann schleuderte
er das faltige Leder rülpsend hinter sich, wie es die Norländer mit
Trinkgefäßen gerne tun.
Ein breites Grinsen fand seinen Weg in die kantigen Züge des
Kriegers.
"Ich heiß' Barn, Mann!" verkündete er dröhnend und
schlug Jon so fest auf die Schultern, dass der große, schmale Mann zu Boden
ging. "Barn von Täppenwinkel!"
"Angenehm", murmelte Jon. "Ich werde es mir
aufschreiben, damit ich nie wieder fragen muss."
Er stemmte sich ächzend hoch und klopfte den Staub von
seiner Bellybah.
"Es ist nicht ganz ungefährlich, hier laut zu
schreien.", erklärte Jon dem Barbaren, während sie weiter stiegen.
"Der Schall trägt weit in diesen Schluchten, und jenseits der Passhöhe
beginnt das Reich von König Dunggur. Es ist ein kleines Königreich, das auf
drei Seiten von Gebirgen begrenzt wird, und auf der vierten von dichtem,
unpassierbarem Dschungel, und entsprechend eng ist das Denken der Leute dort.
Ich wollte eigentlich nicht mehr zurück. Aber in Thenil und den Stadtstaaten
sind die Köpfe der Leute ebenso voller Mauern. Also habe ich beschlossen,
zurückzukehren. Außerdem habe ich in der Hauptstadt O'bah Dungg eine kleine
Schwester, von der ich mich nie richtig verabschiedet habe."
Jon seufzte.
Barn aus Täppenwinkel knurrte leise. Er verstand das. Auch
er wollte nach Hause, zurück in den kalten Norden, um dort seine Verlobte, die
schöne Skjörga, zur Frau zu machen, ein Haus zu bauen und Kinder zu haben.
Aber alle Straßen schienen ihn nur immer weiter nach Süden
zu führen, immer tiefer in eine Welt aus Staub, Hitze, Sonne und Unmengen von
schwatzenden braunen Burschen.
*
Der Weg stieg ständig an. Die Felswände links und rechts
schienen manchmal bis direkt in den Himmel auf zu ragen, dann wieder waren sie
niedriger als der Barbar, und er konnte über eine weite, zerklüftete
Berglandschaft blicken, braun und schrundig wie das Gebiss eines Bettlers. Alle
Geräusche wurden von den Felsen zurückgeworfen und übertrieben verstärkt. Jedes
Ächzen oder Grunzen klang wie der donnernde Groll eines Gottes.
Das gefiel dem Nordmann, und er ächzte und grunzte oft, nur
um sich zu hören.
"Wir müssen vorsichtig sein", murmelte Jon neben
ihm. "Auf der Passhöhe gibt es einen alten Grenzturm, und König Dunggurs
Soldaten legen die Einreisegesetze gerne auf ihre Weise aus, um Material für
die Arena zu bekommen."
Der dünne Mann betonte das Wort Arena auf eine Art, die sich
Menschen sonst für die Schilderung von schmerzhaften Fußkrankheiten aufsparen.
Barn fiel das allerdings nicht auf. Der Barbar lauschte nach innen, nach den
seltsamen Geräuschen, die das Wasser in seinem Bauch machte. Er lächelte
wehmütig und ein bisschen entrückt. Das klang so heimatlich, wie das Knarren
und Murren der Eismassen in den Gletscherhöhlen unter der Weißhöh!
Kurz vor der Passhöhe erweiterte sich die enge Schlucht zu
einem länglichen Tal zwischen zwei narbigen, ockerfarbenen Bergbuckeln. Aus dem
rechten Buckel wuchs ein Gebäude wie ein blassbrauner Mittelfinger in den
wolkenlosen Himmel.
Jon blieb stehen. Er zeigte auf einen Fetzen von undefinierbarer
Farbe, der über dem Turm wehte.
"Da haben wir die Grütze: Der Turm ist besetzt. Durch
den Pass werden wir nicht kommen."
Er sah sich um.
"Aber es gibt noch einen Weg, der vom Turm nicht
eingesehen werden kann. Da ist er." Jon deutete auf eine dunkle Stelle in
der linken Wand, die eine Öffnung, aber auch nur ein Schatten sein mochte.
"Aber er ist eng. Da wirst du deine Muskeln einziehen müssen!"
Barn brummte, als ihn der dünne Bursche in eine enge Spalte
führte. Das sah nicht aus wie ein Weg, der irgendwohin führte, wo er gern sein
wollte. Warum konnten sie nicht zu dem Turm gehen und dort nach Wasser fragen?
Schwierigkeiten konnte er immer noch mit seinem Schwert beseitigen.
Er wollte gerade eine entsprechende Frage stellen, da
ertönte hinter ihm eine scharfe Stimme.
"So-so, wieder zwei Hungerleider, die sich ungesehen in
das herrliche Land meines Königs Dunggur schleichen wollen. Das mag ich
überhaupt nicht, denn das ist gegen das Gesetz!"
Der Barbar wirbelte mit einem wilden Schrei herum und zog
dabei Windmacher aus der Rückenscheide. Leider hatten die Kampfinstinkte des
Nordmanns die Enge des Pfads nicht bedacht: Die schwere Klinge traf mitten im
Schwung auf soliden Sandstein, und die Wucht des Aufpralls riss Barn die Waffe
aus den Fingern. Klirrend fiel sie zu Boden.
Der Barbar stand waffenlos vor sieben Uniformierten, die
ihre gebogenen Schwerter sicher in den Fäusten trugen.
Ein kleiner, drahtiger Krieger, dessen dunkles Gesicht wie
alle Kriegergesichter der südlichen Wüstengebirge irgendwie einem Raubvogel
ähnelte - außer dass Raubvögel niemals goldene Ohrringe und gefettete schwarze
Spitzbärtchen tragen - trat schief lächelnd vor.
"Dank im Namen des Königs, dass du deine Waffe so
schnell abgeliefert hast, großer Mann. Vielleicht wäre der Arena sonst
wertvolles Material entgangen. Ich bin Hauptmann Sharla Than und nehme dich
hiermit fest, weil du versucht hast, illegal die Grenze zu übertreten!"
"Halt, Hauptmann!" rief eine Stimme hinter Barns
Schulter. "Dieses Gelände gehört noch nicht zu König Dunggurs Land, und
seine Gesetze haben keine Gültigkeit hier!"
Jon drängte sich am Barbaren vorbei und stellte sich vor
ihn. "Ihr habt kein Recht, hier jemanden festzunehmen!" rief er
aufgebracht.
Der Hauptmann Sharla Than runzelte die dunklen Brauen, dann
fanden seine scharfen Züge zu einem gefährlich milden Lächeln.
"Und wie ist es hiermit?" Er hob sein Schwert und
ließ es in der hellen Sonne blitzen. "Ich finde, die Kraft von sieben
Kriegern mit sieben Schwertern ist überall eine gute Grundlage für
Gesetze."
Dann hielt er inne. Seine Augen wurden eng. Er blickte Jon
genauer an. "Ich wundere mich eigentlich, dass dich das stört, Jon Ben
Sissi!" zischte er. "Schließlich hast du jahrelang das Gold meines
Königs genommen, das deine Schwester in der Arena verdient hat! Dann warst du
plötzlich reich genug, um dir moralische Bedenken zu leisten und hast wie ein
tollwütiger Köter die Hand gebissen, die dich fütterte!"
Sharla Than wandte das Gesicht ab und schwieg für einige
Zeit mit gesenktem Kopf. Schließlich sprach er wieder, und seine gepresste
Stimme war voll Hass. "Mein Bruder starb bei dem Aufstand der Kämpfer, den
dein Geschwätz ausgelöst hat!“
Er richtete sich auf, seine goldenen Ohrringe blitzten in
der Morgensonne.
„Männer, tötet diesen Hund, verbrennt sein Fleisch und
verstreut seine Knochen in der Wüste, dass sich die Schakale darum streiten
mögen."
Jon wurde sehr blass.
"Das ist ungesetzlich, Hauptmann!" rief er.
"Ich habe nach den Gesetzen Dunggs das Recht auf ein öffentliches
Gerichtsverfahren! Und ich werde..."
Das Lächeln kehrte in Hauptmann Thans Gesicht zurück.
"Dann ist das hier deine Öffentlichkeit", er wies auf die Soldaten
und nickte dem Barbaren zu. "Und ich bin dein Richter. Dein Urteil lautet
auf Tod, Jon Ben Sissi."
Mit einer Flinkheit, die niemand, am allerwenigsten wohl der
Offizier, dem dürren Mann zugetraut hatte, verschwand Jon. Nur das hastige
Platschen von Ledersandalen verkündete, dass er durch den geheimen Pfad floh.
Der Barbar wandte hektisch den Kopf zwischen dem Felsspalt
und den Soldaten hin und her. Zuviel war in zu kurzer Zeit um ihn herum
passiert. Müde, durstig und hungrig, wie er war, fühlte er sich nicht zu
solchen Scharaden aufgelegt, wie sie um ihn aufgeführt wurden.
Am besten schien ihm, er ginge einfach weiter, irgendwohin,
wo es ein Gasthaus gab, kühles Bier und ein vollbusiges Schankmädel mit
lockerem Mieder und loser Moral.
"Ho, ich geh' dann mal, hm?" murmelte er und
nickte den Soldaten knapp zu.
"Sicher, Fremder." Der kleine, raubvogelgesichtige
Offizier lächelte wieder. "Und vergesst nicht, Euer Schwert wieder
aufzuheben."
"Klar, Mann. Schwert", brummte der Barbar.
"Danke." Windmacher hatte er völlig vergessen.
Doch als er sich bückte, fiel ihm etwas Hartes auf den
Hinterkopf, und die Bergwelt erhob sich und schoss ihm entgegen wie eine
geballte Faust.
Als sie sein Gesicht traf, wurde alles dunkel.
*
In Barns Kopf mahlte ein alter, schartiger Mühlstein grobe
Kiesel. Erst nach einiger Zeit stellte er fest, dass die Erschütterungen, das
Knarren und das Dröhnen von außerhalb kamen.
Er öffnete die Augen einen Spalt. Dann riss er sie weit auf.
Wäre seine Zunge nicht so trocken gewesen wäre, hätte er
auch noch geflucht.
Er lag auf dem Rücken, in dicke Ketten gewickelt, auf Stroh
in einem Karren. Zwischen seinen großen Füßen konnte er eine Straße aus
gestampfter Erde sehen, die zwischen Wellen sonnenverbrannter Hügel von den
Zacken eines zerklüfteten Gebirgszuges herkam.
Links und rechts waren Wände aus Holzbrettern, und neben dem
Karren marschierten zwei raubvogelgesichtige, mürrisch blickende dunkle Männer
in schmutzigen Bellybahs. Sie trugen Speere über den Schultern.
"Eh, Fahradh!" rief der eine lachend. "Unser
Wilder is' wach! So schnell schon! Na, ich verwette meinen Monatssold, dass der
ein Champion wird!"
Er deutete mit einem spitzen Daumen auf den Barbaren.
Der andere Wächter grunzte verächtlich.
"Ich würd' keinen Fekal auf den setzen. So leicht wie
der sich hat fangen lassen."
"Aber überleg mal!" warf der erste ein. "Wo
is' der denn wohl hergekommen? Aus der Wüste! Ohne Pferd! Und wie er aussieht,
hat er seit Tagen nichts getrunken und gegessen. Zu Fuß durch die Scharrende
Wüste, ohne Pferd und Proviant, und er lebt noch! Ich sag' dir, der is' ein
Kämpfer durch und durch! Fütter' ihn richtig, und er macht dir alles
platt!"
"Bei Quaatch! Lambad, der fällt dir höchstens platt
hin, wenn du ihn losmachst!"
Barn hustete wütend. Das musste er sich wirklich nicht
gefallen lassen! Mit aller Kraft bäumte er sich auf.
Lambad lachte begeistert. "Sieh doch, Faradh! Wie ein
wildes Tier! Der Kellermeister wird uns ein schönes Taschengeld zahlen!"
Er drehte seine Lanze und stieß den Barbaren mit dem Stiel
sachte in die Seite.
"Streng dich nicht so an!" mahnte er ihn.
"Bald wirst du noch genug zeigen müssen. Aber erstmal bringen wir dich
wohin, wo du Essen, Trinken und ein Bad bekommst."
Der Barbar verkniff die Augen zu schmalen Schlitzen und
knurrte tief hinten in der Kehle. So war das also! Die beiden Kerle waren
Schankknechte, die auf räuberische Weise Gäste für ihr Wirtshaus beschafften!
Nun, das hatte er schon erlebt.
Er knurrte noch einmal, dann zwang er sich zur Ruhe. Er ließ
den schweren, trockenen Körper tief in das Stroh sinken. Seine Augen wanderten
nach oben. Über ihm im blendend blauen Himmel war keine Wolke. Er starrte in
das Blau, bis ihm schwindlig wurde.
Das trockene Land streckte sich endlos unter der brennenden
Sonne. Manchmal erhoben sich aus Feldern verdorrten Getreides Lehmhütten, von
deren überdachten Veranden apathische Menschen mit eingefallenen Gesichtern
lustlos die vorüberziehenden Krieger grüßten. Die bröckelnden Sandsteinbögen alter,
geborstener Bewässerungsanlagen überspannten den Weg. Halbverhungertes Vieh
rupfte letzte gelbe Halme von dürren Wiesen.
Bald tanzte das grelle Gelb unter dem grellen Blau dem
Barbaren in den Augen. Alles verwob sich mit seiner Erschöpfung zu wilden,
brüllenden Mustern, bis er glaubte, sich beim Burschweihtanz auf dem Tanzboden
von Täppenwinkel zu drehen. Aber das war schon im Traum. Und wie immer in
seinen Träumen wurde der Barbar mit Leichtigkeit der Beste und gewann dadurch
die Herzen mehrerer vollbusiger Mädels.
Das Schütteln des Karrens weckte den Barbaren. Es musste
eine längere Zeit vergangen sein. Das trockene Land war das gleiche geblieben,
aber längs der Straße standen nun in Abständen von etwa hundert Schritten
riesige Holztafeln, auf denen mit grellen Farben muskulöse, meist halbnackte
Männer gemalt waren, die gegeneinander oder gegen Furcht einflößende Bestien
kämpften. Das gefiel dem Nordmann, und er bemühte sich, die brennenden Augen
offen zu halten, um alles genau zu sehen.
Seine beiden Bewacher unterhielten sich lautstark über die
Abbildungen.
"Da guck, Lambad, wie ich immer sag': Der Stab des
Präsentors wird schlampig!" Er wies auf ein Bild, auf dem ein struppiger
Riese sich über den roten Überresten eines Gegners wild die breite Brust
betrommelte. "Fakker die Keule is' schon letzten Monat von Grabratte
Ghulkopf aufgeschlitzt worden. Ich hab' es selbs' gesehen. Aber sein Bild is'
immer noch hier!"
Lambad wiegte nachdenklich den Kopf.
"Na, ich weiß nicht, ob das nicht Absicht ist. Seit dem
Aufstand hat die Arena keinen einzigen neuen Kämpfer bekommen, der wirklich gut
ist. Und Fakker war beliebt, vor allem bei den Damen."
"Da kannst du recht haben", gab Faradh zu.
"Nur aufständische Bauern sterben zu sehen, das amüsiert auf die Dauer
kein Publikum."
Lambad spuckte zustimmend in den Staub.
Der Barbar wandte sich wieder den Kampfbildern zu, an deren
schier endlosen Reihen er vorbeigefahren wurde. Manchmal waren auch Mädels
abgebildet, die nichts an hatten und in demütiger Pose vor bewaffneten Riesen
knieten. Diese Bilder gefielen dem simplen Mann aus dem hohen Norden am besten,
und er hätte mit der Zunge geschnalzt, wäre die nicht zu trocken gewesen.
*
Irgendwann gab es einen harten Ruck, und dann merkte der
Barbar am gleichmäßigen Mahlen der Räder, dass die Straße nun gepflastert war.
Zwischen den Bildtafeln standen jetzt Gebäude, denen man den Verfall so
deutlich ansah wie dem ganzen Rest des Landes, die aber in leuchtenden Farben
bemalt waren und auf ihren Giebeln Wimpel trugen.
"O'bah Dungg", brummte einer der Begleitsoldaten.
Barn schnüffelte, aber er roch nur Staub.
Dann kam ein gewaltiges Tor, das wie ein gestürzter Felsen
wirkte. Vor langer Zeit mochte es einmal beeindruckend gewesen sein, jetzt war
es nur noch eine düstere Steinmasse, zerfressen von Wüstenwinden. Eine traurige
Fanfare ertönte von irgendwo, als der Wagen die staubigen Schatten der Wölbung
durchfuhr.
Nun standen Häuser mit drei und mehr Stockwerken dicht
beieinander, und kriegerische Bilder hingen von den Fassaden und verdeckten
viele Fenster und Türen. Trümmerstücke abgeschlagener Balkone und Erker lagen
in wirren Haufen auf den Gehsteigen und der Straße verstreut. Viele waren schon
mit Gras und Moos bewachsen.
Zwischen den Trümmern entdeckte Barn auch Bewohner. Sie
wirkten so müde und zerschlissen wie ihre Gebäude und waren äußerlich ebenso
bunt. Besonders bleiche Gesichter waren sogar bemalt. Manche Menschen holten
beim Nahen des Karrens Wimpel hervor und schwenkten sie hysterisch in die
Straße, nur um sie matt wieder wegzustecken, wenn sie erkannten, dass da bloß
ein Ochse, zwei Wächter und ein Gefangener vorbeizogen.
Barn knurrte leise. Dieser Ort gefiel ihm nicht. Es fehlte
alles, was er von einer Stadt erwartete: Mengen von Menschen; Garküchen längs
der Straße, wo halbe Ochsen am Spieß brieten und Köche dicke, braune Suppen
rührten; bunte Bazare und Kaufhallen; Schenken, vor denen Ausrufer standen und
Wein, Schnaps und Bier priesen; geschminkte Mädels, die einen Fremden mit
sanften Lauten willkommen hießen und ihn gegen ein paar Kupfermünzen die
Strapazen seiner Reise vergessen ließen.
Die wenigen Läden in den Erdgeschossen der Häuser, die nicht
mit buntbemalten Brettern vernagelt waren, verkauften nur Fähnchen,
Papierblumen und Tonfiguren von muskelbepackten Kriegern. Und die Mädels, die
durch die Straßen schlurften, sahen alle so aus, als hätten sie sich in Öl und
Staub gewälzt und würden ohne den Dreck noch übler aussehen.
Lambad und Faradh schienen ebenfalls wenig begeistert.
"Wenn ich das so sehe, packt mich fast Sehnsucht nach
den Bergen und unsrem öden Wachturm", kommentierte Lambad schwermütig den
Anblick. "Da kann man wenigstens noch träumen!"
"Wir sind ja auch hintenrum in die Stadt gekommen. Das
nächste Mal gehen wir durch das Südtor."
Lambad schüttelte den Kopf. "Das letze Mal hab ich am
Südtor innerhalb eines Tages einen ganzen Jahressold verloren bei so einer
Spielschau. Die locken dich einfach hin, dann gibt's was zu trinken, ein buntes
Rad und Weiber ohne Hemd, und schon bist du pleite - bis zur Arena kommst du
gar nicht."
"Der Leutnant hat uns sein Dienstsiegel mitgegeben. Wir
können jetzt überall hinkommen. Ohne Geld. Vielleicht sogar in die Keller der
Tänzerinnen." Faradh schnalzte vielsagend mit der Zunge.
"Sicher. Aber wenn er das rausfindet, ist alles, was
uns bleibt, ein einmaliger Auftritt mitten in der Arena. Als
Löffenfutter!"
"Lambad, du bist ein Dummkopf!" spottete Faradh.
"Sharla Than hat uns eine ganze Woche Urlaub gegeben dafür, dass wir
diesen Kerl nach O'bah Dungg bringen und ihn an den Stab des Präsentors
verkaufen! Der normale Dienstweg für Illegale ist doch der Bezirkskerker von
Krekkcht. Aber das wollte unser Leutnant natürlich nicht, denn dann hätte
irgendein dicker Wachtmeister den Burschen hier an die Arena verscherbelt und
die dreißig Fekal Prämie eingesteckt! Nein, mein Alter, ich bin sicher, dass
Herr Than gar nichts sagt, wenn wir uns in seinem Namen ein bisschen
amüsieren."
Lambad verdrehte die Augen. „Oh, meine Mutter wird mich noch
verfluchen, und dich dazu!“ rief er. Aber er grinste.
Als der Karren anhielt, wurde Barn fast schlecht, so sehr
hatte sich sein Körper an das Schwanken des Fahrzeugs gewöhnt. Vorne wurden
Stimmen laut; die von Faradh und Lambad, aber auch andere, die der Barbar nicht
kannte. Zunächst klang alles sehr freundlich, doch dann kamen die Wörter immer
härter und schneller und lauter. Ein Mann brüllte sogar. Schließlich entstand
ein längeres Schweigen, gefolgt von dem Geräusch, das Silbermünzen verursachen,
wenn sie in eine geöffnete, hornige Handfläche fallen. Dann wurde eine Trompete
geblasen. Wenig später rasselten Ketten, und die Scharniere einer schweren Tür
knarrten und ächzten wie geschundene Seelen in den Tretmühlen der Hölle.
Barn sah den gemauerten Bogen eines weiteren Tores über sich
nach hinten ziehen.
Plötzlich war alles anders.
Die Türbögen und Fenstergitter der Häuser waren aus
kostbarem, dunklen Muggahholz geschnitzt und mit Silber eingelegt, die Simse
waren aus sorgfältig gemeißeltem, buntgeädertem Gestein; von den Dachfirsten
funkelten Edelsteine als Augen wohlmeinender Hausgötter. Geschäftige Menschen
in goldgesäumten Bellybahs eilten lächelnd umher, alle Frauen waren
Schönheiten, und niemand schwenkte einen Wimpel.
Aber der größte Unterschied zu allem Vorigen war so
ungeheuerlich, dass er dem Barbaren zunächst gar nicht auffiel: Es gab
nirgendwo Bilder von kämpfenden Helden.
Die Stimmen der beiden Soldaten schienen sich dieser
Umgebung angepasst zu haben: Leise und respektvoll waren sie geworden.
"Das Viertel des Stabes ist schon etwas
Besonderes", wisperte Faradh. "Hier spürt man richtig das Herz des
Reiches schlagen!"
"Das einzige Besondere an diesem Viertel ist seine
Geldgier!" widersprach Lambad, aber auch er sprach sehr gesenkt.
"Diesen eitlen Fatzke von Feldwebel am Tor, den würd' ich gern mal im
Grenzdienst erleben, wenn ein Stamm Dunggi seinem Zug von oben in einem Hohlweg
auflauert, Speere, Steine Schrumpfköpfe und Schlimmeres auf ihn niederprasseln…
und seine Frisur ruinieren!"
"Klar, das wär' Spaß." stimmte Faradh grimmig zu.
„Aber hier wohn‘ dürfen, dass wär‘ mehr Spaß!“
Dann herrschte wieder Schweigen, bis Barn ein tiefes
Einatmen hörte. Seine beiden Begleiter sogen gleichzeitig die Luft ein und
behielten sie für einen ehrfürchtigen Moment in ihren Lungen.
"Bei Buulb, da vorne, das muss sie sein!" stieß
Faradh halberstickt hervor.
"Ja, Faradh, das ist sie." sagte Lambad mit von
Demut dünner Stimme. "Sie ist so gewaltig..."
"Ich hab' sie noch nie von hier gesehen... Sie scheint
größer als der Himmel..."
"Sie ist größer, sie ist unvergleichlich viel größer...
sie ist die Arena!"
Die beiden Soldaten äußerten noch viele ehrfürchtige Sprüche
dieser Art, bis der Barbar in seinem schwankenden Nest aus hartem Stroh eine
bleischwere Müdigkeit empfand. Er schloss die Augen, und schlief ein.
*
Wie schon so oft in seinem bewegten Kriegerleben wurde der
Nordmann von einem Guss eiskalten Wassers geweckt.
"Schon gut, Mädel, ich werd'... gleich
aufstehen..." brummte er schwach.
Normalerweise erwachte er unter solchen Umständen in
irgendeinem üblen Gasthaus, und vor ihm stand eine wütende Freundin mit einem
Eimer in der Hand und Vorwurf im Blick.
Aber diesmal war nichts normal, und die Freundin war ein
Felsbrocken von Mann mit eisgrauen, kurz geschorenen Haaren und einer Klappe
über dem linken Auge. Er trug eine stumpfbraune Ledertunika über dem Körper
eines alternden Kriegsgottes.
"Willkommen in der Arena, Frischfleisch!" sagte
der Mann, und auch seine Stimme klang wie ein Fels. Er streckte Barn eine Hand,
groß wie eine Schaufel, entgegen. "Steh' auf Kleiner, deine Zeit hier
könnte zu kurz sein, um sie gleich liegend zu beginnen!"
Der Barbar ignorierte die Hand und stemmte sich hoch, obwohl
ihm alles wehtat und Teufel auf Hufen aus schartigem Glas in seinem Kopf
tanzten. Dann schenkte er dem Felsbrocken einen vorwurfsvollen Blick.
"He, Wirt, meine Kehle is' staubiger als die ganze
Wüste! Un' fressen könnt' ich auch wie'n Löffe!"
Der graue Fels musterte ihn lange mit seinem einen Auge, bis
ein weniger sturer Mann als der Norländer den Blick gesenkt hätte.
"An deiner Stelle würd' ich mir eher Sorgen machen,
dass'n Löffe dich frisst, Kleiner!" meinte der Alte trocken. Doch dann
fasste er den Barbaren fest an der Schulter, und sein schrundiges Gesicht
verzog sich zu einer erschreckenden Grimasse, die einem Grinsen so ähnlich sah
wie ein Schwert einer Rose, aber wohl eins sein sollte. "Ich glaub', du
has' das Zeug zum Kämpfer, Kleiner. Und 'nen Kämpfer lass' ich nich'
verhungern. Mein Name is' Drakken Beilstein der Dritte. Meister Drakken für
dich. Ich werd' dein Trainer sein hier in der Arena."
Meister Drakken führte den Barbaren durch eine Vielzahl
dunkler, niedriger Gänge bis in ein in den Fels gehauenes Gewölbe, in dem an
derben Tischen derbe Männer im Licht großer Feuerkessel saßen und schweigend
Grillfleisch von Holztellern aßen.
"Grunter! Ich hab' hier'n neuen Gast!" brüllte
Drakken mit seiner Felsenstimme in den Raum. Aus einer Tür kam ein weiterer
grauhaariger Fels aus etwas weicherem und runderem Gestein. Er trug über einem
grauen Kittel eine schmuddelige Schürze aus dickem Leder, die steif von seinem
Körper abstand und so blutverschmiert war, als müsse er mit jedem Steak einen
Kampf auf Leben und Tod ausfechten (Barn erfuhr später, dass es tatsächlich so
war: Grunter holte sich das Fleisch für die Küche direkt aus der Arena, wo er mit
einem Tranchier- und einem Hackmesser gegen ältere Löffen, Snarks und Phantiere
antrat und sie mundgerecht portionierte).
Grunter kratzte sich am Kopf und nickte Barn zu. Sein
Grinsen war etwas milder als Drakkens, genügte aber, um den besten Wein in Essig
zu verwandeln.
"Hm, der sieht aus, als würd‘ er'n Phantier roh fressen
könn'. Ich werd' seine Steaks schön blutig lassen!"
"Klar, Grunter. Und gib ihm Wasser. Bei Quaatch, seine
Lippen sind spröder als die Tanzmädels aus dem Pausenballett! Er wird Durst
haben."
Und obwohl der Norländer die Kraft von drei normalen Männern
besaß, drückte ihn Drakken wie ein Kind auf die nächste Bank. "Setz' dich,
Kleiner, un' iss tüchtig." brummte er. "Un' dann lass dir’n Bett
zeig’n un‘ ruh dich wirklich aus. Heute Abend lassen wir dich erstmal gegen
eine kleine Bestie kämpfen, um zu seh'n, ob du's wirklich wert bist, trainiert
zu werden. Also - wir seh'n uns in der Arena."
Er zwinkerte. "Wir seh'n uns in der Arena - das is'
unser Gruß hier unten!"
Hinkend verschwand er in der Dunkelheit.
Barn nickte den anderen Männer im Raum zu, aber sie
beachteten ihn überhaupt nicht.
Schon nach kurzer Zeit brachte Grunter dem Barbaren eine
Platte mit mehreren ungeheuren Fleischstücken und einen Bierkrug, in dem ein
Ochse hätte ersaufen können.
"Wenn du gegessen hast, zeig' ich dir den Schlafraum,
Kleiner", sagte er. "Un' du schläfst besser gut - das
Dienstagabendpublikum is' nämlich der blutgierigste Haufen von allen, un' als
Neuer braucht man 'ne Menge Ruhe, um das zu überleben."
*
Gerade, als die fünf dunkelhäutigen Mädels vor dem Barbaren
endlich die letzten Schleier fallen gelassen hatten, wurde er unsanft
geschüttelt und musste aufwachen.
"He, Kleiner, steh' auf!" rief eine harte Stimme.
"Die Sonne sinkt, un' die Massen wollen Blut sehen!"
Barn grunzte. "Ich kann jetz' nich' aufstehn. Ich bin
noch nich' mit mei'm Traum fertig!" protestierte er.
"Un' wie du aufstehen wirst, mein Guter!" Der
Nordmann wurde gepackt und hochgezerrt, bis sein Gesicht den zerklüfteten Zügen
des Meisters Drakken Beilstein unangenehm nahe war. "Hier schläft jeder
Frischling nur solange, wie es mir gefällt, klar?"
Barn brummte etwas Unverständliches, das man als Ablehnung
oder Zustimmung auffassen konnte. Der Trainer entschied sich für Zustimmung. Er
zwang sein Gesicht wieder zu jener Deformation, die seine Version eines
Grinsens war.
"Siehst du, Kleiner, geht doch!" rief er.
"Jetz' beeil dich, wir müssen dir noch die Ausrüstung und 'ne Waffe
verpassen!"
Mit einem letzten bedauernden Blick hin zur hölzernen
Pritsche, auf der er so aufregend geträumt hatte, ließ sich der Nordmann aus
dem übelriechenden Schlafraum führen.
Wieder ging es durch eine Menge dunkler Gänge, deren Wände
grob gemauert oder einfach in den Fels gehauen waren. Fenster gab es nirgendwo,
nur alle zwanzig Schritte eine einsame Fackel.
"Kanns' du mit einem Spieß umgehen?" fragte
Meister Drakken den Barbaren, während sie gingen. Barn brummte wieder
unverständlich, und Drakken nickte.
"Nun, du wirst es heute Abend lernen... oder du lernst
nix mehr in deinem Leben. Weil das dann nämlich vorbei is'."
Schließlich erreichten die beiden Männer einen großen Raum,
in dessen Mitte ein großer Feuerkessel unruhiges Licht verbreitete. Hier
herrschte ein Durcheinander aus jeder Art von Waffen, Helmen, Rüstungsteilen,
bunten Bannern und Schilden aller Größen und Formen. Dazwischen standen,
knieten oder saßen fluchende Männer, die sich für eine Schlacht zu rüsten
schienen. Sie bandagierten Waden, schnallten stachelige Schulterpanzer an,
schwangen probeweise Schwerter, rotzten auf den Boden und fletschten Zähne, die
zum Teil mit blitzendem Stahl überkront waren. Alle trugen Stirnbänder, selbst
die Glatzköpfe, und die meisten der Bänder hatten die ungesunde Farbe
geronnenen Blutes.
"Das is' die Rüstkammer der vierten un' dritten Klasse!
Die Männer machen sich für's Abendprogramm fertig!" erklärte Drakken dem
Barbaren. "Such dir'n Plätzchen, ich bring' dir, was du brauchst."
Barn grunzte und setzte sich auf die nächste Bank. Ein
verwachsenes Monstrum von Mann fauchte ihn kurz an, dann erhob es sich
schwerfällig und verschwand in der Finsternis. Barn runzelte die Stirn. Hier
gefiel es ihm nicht.
Drakken kam zurück.
"So, da haben wir den Spieß für dich. Der Spieß is'
eine Waffe der vierten Klasse, also neben Stab und Fäusten alles, was dir der
Kodex als Anfänger erlaubt." Der Trainer drückte dem Nordmann einen
dicken, schweren Stab aus Muggahholz in die Hand, an dessen oberem Ende eine
zweischneidige Spitze von der Länge und Form eines Kurzschwertes befestigt war.
Dann packte er das kantige Kinn des Barbaren und drehte es so, dass Barn direkt
in sein Auge sehen musste. "Jetz' hör mir sehr gut zu, Kleiner: Das is'
kein Speer zum Werfen, sondern eher eine Verlängerung für deine Arme, damit du
dir das Viech vom Leib halten kannst. Stechen und Hauen kannste damit in etwa
wie mit einem Schwert, Blocken wie mit einem Kampfstab. Aber er is' sehr
schwer, der Speer, also langsam. Klar?"
Barn zuckte mit den Schultern. Meister Drakken rollte sein
Auge.
"Wie du meinst, Kleiner!" meinte er gleichmütig.
Dann ließ er den Barbaren los und trat einen Schritt zurück. "Ein Problem
ham wir jetz' noch: Deine Klamotten. Da drin siehst du aus wie irgendwas, das
letzten Monat in der Wüste gestorben is'.“
Drakken versuchte sich wieder an einem Grinsen.
„Ich persönlich find' das völlig in Ordnung. Die Leute
draußen aber wollen Muskeln, Schweiß un' Blut sehen. Also sagt der Kodex, dass
du was anderes anziehen musst. Vor allem weniger."
Barn blickte an sich hinunter und grunzte. Was hatten die
Burschen hier nur gegen seine schönen Felle?
Dann jedoch sah er, was der grauhaarige Mann ihm gebracht
hatte: Einen blitzenden Panzer für den rechten Arm, komplett mit Handschuh und
Schulterplatte, dazu einen Lederschurz mit passendem, nietenbeschlagenem
Gürtel. Außerdem gab es noch hohe Stulpenstiefel mit Sporen und Stahlkappen
sowie ein braunes Stirnband.
"Hoho!" machte der Barbar angesichts dieser
Pracht. Wenn er das den Kumpels daheim in Täppenwinkel zeigen könnte!
Schneller als eine Tempeltänzerin zog er sich aus.
*
"Jetzt gilt's, Kleiner!" raunte Meister Drakken,
und seine Stimme klang ungewohnt weich. "Wir haben dir Essen gegeben, wir
haben dir eine Waffe gegeben, du trägst das Stirnband, wir haben dich eingeölt
- jetzt tu etwas für uns. Wenn das Tor aufgeht, gehst du durch bis zur
Holzwand. Da sin' dann Leute, die dir sagen, wo du hinsollst. Un' dann - lass
dich nich' vom Lärm stören. Guck überhaupt nich' hoch zum Publikum. Warte
einfach ab, bis das Viech kommt. Und dann... kämpfe."
Nach dem Umkleiden hatte der Trainer Barn über eine lange
Treppe zu einer langen, düsteren Halle geführt, an deren Ende ein riesiges Tor
lag. Ganz schwach, wie Stimmen aus dem Totenreich, drang Geschrei durch diese
Ehrfurcht gebietende Barriere aus Holz und Schmiedeeisen, deren Beschläge
zahlreiche Szenen von Triumph und Tod auf drastische Weise zeigten.
Der Barbar brummte leise. Er verstand, dass er jetzt durch
dieses Tor gehen musste, um zu kämpfen, als Bezahlung für das Essen, das Bier
und das Bett, das er bekommen hatte. Er wusste nicht genau, ob ihm das gefiel.
Doch er war ein Nordmann! Besser war es, im Kampf zu fallen,
als zu verhungern und zu verdursten, bei Gruunz!
Er packte den schweren Spieß mit der Linken, mit der er
sonst sein Schwert führte, und versuchte ein paar Drehungen aus dem Gelenk. Er
hätte genauso gut mit einem Kessel kochender Suppe tanzen können - die Sache
kam nicht in Schwung und tat sogar weh. Knurrend stellte er den Spieß wieder
auf den Boden. Gruunz würde ihm Kraft geben, wenn es notwendig war!
Er sah sich um. Neben und hinter ihm standen Männer, ähnlich
gerüstet wie er: Die Brust entblößt, mit Panzerhandschuhen, kurzen
Lendenschurzen und Stiefeln. Alle trugen das braune Stirnband. Plötzlich
ertönte eine Trompete. Die meisten Männer zuckten zusammen.
Nackte Sklaven huschten vorbei und stemmten sich gegen das
gewaltige Tor, das sich schließlich mit entsetzlichem Knarren öffnete. Licht
flutete herein. Nach der Dunkelheit der unterirdischen Gänge und Kammern so
schmerzhaft wie geschmolzenes Metall in den Augen des Barbaren.
Barn erhielt einen Schlag auf die ungepanzerte linke
Schulter.
"Auf!" knirschte Drakkens Steinstimme neben ihm.
"Du bist der erste Kämpfer heute Abend! Zeig, was du wert bist! Ich seh' dich in der Arena!"
Langsam ging der Barbar auf den hellen Spalt zwischen den
Torflügeln zu. Am Tor standen zwei Männer in schwerer Panzerrüstung und riefen
"Los-los-los! Nicht so langsam, Frischfleisch!"
Dann war Barn hindurch, und der Abendhimmel über ihm war
nach dem Tag in den Gewölben so hell, dass er geblendet stehen blieb. Orange
und türkis war dieser Himmel, und längliche violette Wolken zogen darin wie
schwer beladene Kauffahrer in ruhiger See.
"Verdammt! Los, komm hierher!" fluchte eine raue
Stimme vor ihm. Barn blinzelte und sah vor sich eine hohe Bretterwand, an der
weitere zwei Männer in dicken, stachelbewehrten Lederpanzern lehnten. Einer
winkte ungeduldig. Sand stob unter Barns Füßen auf, als er auf den Mann zu
lief.
"So. Bleib stehen", befahl der Mann. Er spähte
jetzt durch die Ritzen zwischen den Brettern auf ein Geschehen jenseits der
Wand. "Sie räumen noch die Bauern weg. Geh' jetzt zum Rand. Aber erst wenn
ich 'Los!' rufe, läufst du um die Barrikade 'rum und gehst langsam zur Mitte.
Da bleibst du stehen, bis der Sprecher den Kampf eröffnet. Der Gegner findet
dich schon. Verstanden?"
Barn nickte, obwohl er überhaupt nichts verstanden hatte. Er
wollte nur zurück auf seine Pritsche. Wenn er schnell genug wieder einschliefe,
dann konnte er vielleicht in dem Traum von den Mädels da weitermachen, wo er
vorhin hatte aufhören müssen.
"Bist neu, hm?" fragte der Gepanzerte neben ihm.
Barn wusste nicht, was er dazu sagen sollte.
Der Mann grinste. "Ein Rat von mir, Neuer - wenn du
stirbst, dann schrei laut. Richtig laut. Das gefällt den Leuten!"
Er lachte heiser.
Zwei Sklaven kamen von jenseits der Bretterwand. Sie trugen
einen großen Weidenkorb zwischen sich. Der Korb triefte von Blut und hinterließ
eine dunkelrote Spur im hellen Sand.
"Gubukh, Herr, wir sind fertig." rief einer der
Sklaven. "Is' immer besser, wenn die Biester hungrig sind. Lassen dann
weniger übrig!"
Der alte Mann schlug Barn auf die Schulter. "Na dann
los, Junge! Ich seh' dich in der Arena!"
Der Barbar lief um die Wand und stand im vollen Licht der
sinkenden Sonne. Lärm brandete wie eine Sturmflut über ihn herein. Ein
Kreischen kam von allen Seiten, das in seiner Schrillheit ihm schier die Ohren
zerreißen wollte.
Gegen den Ratschlag von Meister Drakken sah er sich um.
Vor ihm erstreckte sich eine ungeheure, kreisförmige Fläche
aus hellem Sand. Dieser Sandboden war von einer hohen Steinmauer umgeben, vor
der in regelmäßigen Abständen Holzwände errichtet waren wie die hinter ihm.
Über der Mauer, die vielleicht vier oder sogar fünf
Mannshöhen aufragte, hoben sich scheinbar endlos Reihen über Reihen farbigen
Gewimmels. Von dort oben kamen Geschrei, Paukenschläge und Trompetenklänge,
dort wehten Banner und Bänder. Die Reihen schienen geradewegs in den
Abendhimmel zu führen. Ganz oben, am Rand, brannten riesige Feuer und leckten
mit ihren Flammen am Bauch des Himmels.
Nur langsam wurde dem Barbaren klar, dass das da oben
Menschen waren, unglaublich viele Menschen. Und sie alle sahen auf ihn herab.
Barn starrte fassungslos auf die Massen, die sich wie Ameisen
auf den Rängen drängten. Nie hatte er so viele Menschen an einem Ort gesehen.
Die obersten Reihen waren soweit von ihm entfernt, dass er sie nur noch als
flimmernde Farbflecke sah.
Er verspürte so etwas wie ein Schwindelgefühl.
Damals bei der Burschweih in Täppenwinkel hatte er es
geliebt, als beim Armdrücken gegen Fallburz den Fauler das ganze Dorf zugesehen
hatte.
Aber das hier war ganz anders.
Er fühlte sich wie das einzige Fleischstück in einer
riesigen Suppenschüssel, umgeben von hunderttausend hungrigen Wahnsinnigen -
eine grelle, wogende Masse, eine brüllend bunte See, die sich bereit machte,
ihn zu verschlingen.
Er senkte den Kopf
und biss sich auf die Unterlippe. Was immer auf ihn wartete, er würde diesen
ganzen Leuten zeigen, was ein Nordmann wert war!
Die Fanfaren schmetterten einen letzten Dreiklang, und das
dumpfe Pochen der Pauken verstummte. Mit betäubender Plötzlichkeit endete auch
das Lärmen der Masse.
Eine einzige Stimme füllte das riesige Rund der Arena, als
wäre sie ein Organ göttlicher Macht.
"Geliebtes Publikum! Volk von Dungg! Ehrwürdiger,
gottgleicher Monarch, Schenker der ewigen Spiele! Ein neuer, fabelhafter Abend
voller Wunder und Kraft bricht für uns an! Die besten Kämpfer des Erdkreises
werden gegeneinander und gegen die grausamsten Bestien dieser Welt antreten!
Unvorstellbarer Ruhm wartet auf die Sieger!"
Eine kurze Pause.
"Aber für die, die es nicht wert sind, das Volk von
Dungg zu unterhalten, gibt es nur ein Ende voll Blut und Schmerzen!"
Das ekstatische Kreischen, das sich nach diesen Worten
erhob, hätte einen geringeren Mann dazu gebracht, sich zu Boden zu werfen und
im Sand zu vergraben. Aber Barn biss nur fester in seine Lippe.
Den metallischen Geschmack seines eigenen Blutes im Mund,
sah er sich um, um den Ursprung der gewaltigen Stimme zu finden.
Dort, hinter ihm, war der prachtvollste Teil des gewaltigen
Gebäudes: hohe Mauern trennten diesen Bereich vom Rest der Arena. Goldene
Statuen – Abbilder von gewaltigen Muskelprotzen und üppigen Liebesgöttinnen
- säumten die Ränder, und schwer
bewaffnete Soldaten patrouillierten auf der Mauerkrone.
Ganz unten befand sich, verschwenderisch eingehüllt in
Bahnen fließenden weißen und goldenen Stoffes, ein Balkon, auf dem ein
einzelner Mann hinter einer komplizierten Apparatur aus Röhren und Trichtern
stand. Von ihm kam die gewaltige Stimme.
"Eben haben sie, verehrtes Publikum, zur Eröffnung
unseres heutigen und wie immer einmaligen Programms die Bauern des Dorfes Leer
aus den südlichen Bergen gesehen. Statt ihre Steuern und Abgaben zu entrichten,
haben sie tapfer den Weg in die Öffentlichkeit gewagt und sich dem strengen
Urteil der Bestien unterworfen. Einen Applaus für die braven Bauern!" Ein
fröhliches Pfeifkonzert ertönte, das jeden Orkan beschämt hätte.
"Heißen wir nun willkommen den ersten Kämpfer des
Abends, einen jungen Mann, der aus ferner Fremde zu uns gekommen ist, um für
uns in unserer geliebten Arena zu kämpfen! Er steht dort unten voll Demut, in
Erwartung des Urteils der Zuschauer!"
Das Pfeifen verstärkte sich und wurde durch rhythmisches
Rufen ergänzt. Es klang nach "Tod! Tod! Tod!"
Doch die Stimme des Sprechers durchschnitt den Lärm wie ein
Schwert. "Gegen ihn wird kämpfen... Lonzo
der Löffe! Lonzo, eine unbesiegte, blutgierige Bestie aus den Zuchtkäfigen
des bekannten Tiermeisters Servil Kronk, hat seit drei Tagen kein Fressen
bekommen! Und das macht ihn wütend! Sehr wütend! Und wir alle wissen, was ein
hungriger und wütender Löffe aus einem Menschen machen kann! Blut und Därme zur
höheren Ehre unserer geliebten Arena und des gottgleichen Königs Dunggur!"
Ein ungeheurer Jubel erhob sich.
Die Trompeten bliesen ein lang gezogenes Signal. Direkt
gegenüber dem Barbaren öffnete sich ein Tor.
Die Trompeten ertönten noch einmal. Der dunkle Bogen blieb
leer. Doch dann kam ein Schrei von dort, so mächtig und hallend, dass Barn ihn
zunächst für ein weiteres Hornsignal hielt. Ein gestreckter Schatten folgte dem
Schrei in die Arena. Sein Gebrüll wurde von der Menge auf den Rängen begeistert
erwidert.
Barn kniff die Augen zusammen. Ein gewaltiges Tier stand
dort am gegenüberliegenden Ende der Arena, vielleicht dreihundert Schritte von
ihm entfernt. Ein langer, keilförmiger Schädel mit löffelförmigen Ohren
pendelte suchend am Ende eines kurzen Halses über einem muskulösen Leib mit
kräftigen Hinterbeinen.
Das war der Schrecken der Savannen des sonnenverbrannten
Südens, die blutgierige Bestie des Buschwerks: Ein Löffe.
Der Nordmann musste schlucken, um weiterhin Luft zu
bekommen. Damit hatte er nicht gerechnet. Sollte er hier wirklich sterben?
Seine sehnigen Fäuste fassten den Spieß fester. Ihm war sehr unwohl.
In seiner eisigen Heimat hatte Barn nur einmal gegen den
gigantischen Räuber des Berglands, den schrecklichen Schneebären, gekämpft und
war knapp mit dem Leben davongekommen. Und die Bestie hier wirkte noch größer
als ein Schneebär, und der derbe Spieß in seinen Händen war gewiss nicht der
perfekt ausbalancierte Windmacher.
Neues Gebrüll verkündete, dass Lonzo den Barbaren entdeckt
hatte. Mit weiten, ruckartigen Sprüngen kam die Bestie auf ihn zu. Tausend
Pfund Muskeln und Sehnen, Zähne und Klauen ließen den Sand erbeben.
Barn nahm den schweren Spieß in beide Hände, den gepanzerten
rechten Arm mit dem stachelgespickten Ellenbogen dem Löffen entgegen gereckt,
den bloßen linken Arm stoßbereit gegen die Rippen gepresst. Seine muskulösen
Schenkel stemmten sich breitbeinig in den Sand. Die rissigen Lippen murmelten
unentwegt Flüche.
Vielleicht zehn Schritte vor dem Barbaren kam das Raubtier
zum Stillstand. Der lange Kopf zuckte hin und her, und die kleinen,
nachtschwarzen Augen zwinkerten auf der Suche nach der besten Angriffsposition.
In diesem unheimlichen, ruhigen Moment vor dem Angriff stiegen alte
Erinnerungen im Nordmann auf. Er dachte an den alten Schlukker Erbrecht aus
Täppenwinkel. Der hatte einmal behauptet, dass man einen Löffen mit einem
Finger töten könne, wenn man wüsste, wie es geht. Aber Schlukker hatte es
natürlich vergessen.
Barn grunzte. Die Bestie sah ohnehin so aus, als müsste der
Finger, der sie tötete, mindestens fünf Fuß lang und aus geschliffenem Stahl
sein. Und sich an der Hand eines Kriegsgottes befinden.
Als der Löffe plötzlich sprang, waren seine Bewegungen so
schnell, dass selbst die Augen des Barbaren kaum folgen konnten.
Der Nordmann riss den Spieß höher, doch die Waffe reagierte
nur träge. Viel zu langsam schwang die Schneide dem Kampftier entgegen. Aber
glücklicherweise hatte der Löffe Lonzo die Fähigkeiten des Barbaren weit
überschätzt. Er war nicht direkt auf ihn gesprungen, sondern an ihm vorbei, um
von hinten anzugreifen.
Barn fuhr herum. Wieder war der Spieß zu langsam. Der Löffe
schlug mit seinen kräftigen Hinterbeinen aus, während der Barbar noch
versuchte, die scharfe Spitze auf die Bestie zu richten.
Himmel und Erde tauschten plötzlich den Platz. Der Spieß
wurde dem Barbaren aus der Hand gerissen.
Er schlug mit dem Gesicht zuerst auf, und der Schmerz und
der Sand in seinem Mund erstickten seine Flüche.
Benommen zwinkerte der Barbar und sah, wie der Löffe erneut
auf ihn zusprang. Ein weiterer Treffer der eisenharten Hinterbeine mit den
messerscharfen Klauen würde den sicheren Tod bringen. Der Keilschädel mit den
beiden dolchförmigen Schneidezähnen schien hämisch zu grinsen.
Dieses Grinsen gab dem Norländer neue Kraft - es erinnerte
ihn so sehr an einen Feind aus der Jugendzeit, den Häuptlingsneffen Neidgurt,
dass er wütend wurde. Er rollte Barn sich zur Seite. Ein Hinterlauf des Löffen
schrammte an seinem Gesicht vorbei, das harte Fell riss ihm ein Ohr blutig.
Dann griff er mit der gepanzerten Rechten blind nach der Bestie. Da er keine
Waffe mehr hatte, musste er irgendwie auf den Rücken des Tiers kommen, dann
seinen Kopf packen und ihm das Genick brechen. Es war seine letzte Chance.
Seine eisenbekleideten Finger trafen etwas. Der Löffe stieß ein seltsames,
abgehacktes Winseln aus. Instinktiv fasste der Barbar zu und drückte. Das
Heulen des Löffen steigerte sich zu einem Gebrüll. Ein Ruck ging wie der Hieb
einer glühenden Peitsche durch den Körper des Barbaren, als das Tier versuchte,
durch einen Sprung dem Schmerz zu entkommen. Aber Barn ließ nicht los, selbst
als die Bestie ihn im Galopp durch den Sand schleifte und die groben Körner ihm
die Haut aufrissen.
Er war bereit, sich von diesem grässlichen Ungeheuer direkt
nach Vollduunheim, die Halle der toten Krieger, tragen zu
lassen, wenn er es nur in den Tod mitnehmen konnte.
Doch plötzlich war alles vorbei. Der Löffe stieß einen
letzten entsetzlichen Schrei aus und stürzte zu Boden wie ein gefällter Baum.
Der Höllenritt war beendet. Mit dem Misstrauen des geborenen Barbaren blieb
Barn noch eine Weile mit dem Gesicht im Dreck liegen, dann sprang er mit einem
Kriegsruf jäh auf, beide Fäuste kampfbereit vorgereckt.
Keinen Schritt vor ihm lag Lonzo der Löffe auf dem Rücken.
Blutiger Schaum rann ihm aus dem Maul, seine kleinen Augen waren so verdreht,
dass man die gelblichen, dickgeäderten Augäpfel erkennen konnte. Wie zwei
geborstene Masten eines gescheiterten Schiffes ragten seine gewaltigen
Hinterfüße über dem kräftigen Leib auf, die viel kleineren Vorderpfoten lagen
seitlich im Sand. Das Tier atmete nicht mehr. An seinem Hinterteil war eine
tiefe, blutende Wunde.
Der Barbar brummte verblüfft. Dann sah er, dass der
Panzerhandschuh an seiner Rechten etwas hielt: Einen dicken, wolligen Ball aus
rot verschmiertem, weißen Fell. Er starrte das Ding eine Weile an, dann begriff
er: Er hatte dem Löffen den Stummelschwanz abgerissen.
Er hob die Hand hoch über den Kopf und schwenkte
triumphierend die blutige Trophäe.
Während der Jubel von den Rängen wie ein Gewitterhagel über
ihn herein brach, spürte er, wie ihn die Kraft verließ. Alles drehte sich, er
musste sich setzen. Man konnte kaum atmen in diesen verdammten, sandigen
Wüstenländern! Wenn er hier raus kam, würde zurück nach Täppenwinkel gehen, bei
Gruunz!
Aber jetzt brauchte er erst mal etwas Schlaf. Er streckte
sich im Sand aus, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und schloss die Augen.
"Großer, hast du dich zurichten lassen!" dröhnte
eine raue Stimme. "Beinahe hätten die Abdecker dich statt des Löffen in
die Gruben geschleift!"
Barn schlug die Augen auf. Er lag wieder in der angenehmen
Dunkelheit und Kühle der Gewölbe unter der Arena, und über ihm grinsten die
felsigen Gesichtszüge des Meisters Drakken wie ein lepröser Mond der Unterwelt.
"Einen seltsamen Stil hast du, Großer, aber den Leuten scheint er gefallen
zu haben. Man hat dich noch auf der Bahre dreimal um die Arena tragen müssen,
so lange hat der Jubel gedauert!"
Neben Drakken erschien ein weiteres Gebirgsmassiv.
"Bist echt'n Kenner, wie, Großer?" Grunter grinste
ebenfalls. Er schwenkte den blutigen Löffenschwanz in der Linken. "Das is'
das Teil, an dem man den besten Löffen packen kann! Da sind die kitzliger als
ein Sack Ratten! Un' noch besser, es is' das Stück, das bei den zähen Viechern
am besten schmeckt! Leider könn' wir ihn nich' behalten, die Leute des
Präsentors beanspruchen ihn für die königliche Tafel!"
"Eine verdammte Schande is' das!" knurrte Drakken
und spuckte auf den Boden. "Zu meiner Zeit durfte ein Mann noch behalten,
was er im ehrlichen Kampf gewonnen hat!"
Grunter grunzte. "Die Zeiten ham sich sehr verändert
seit deiner Zeit, mein Alter. Un' nich' zum Guten. Aber jetz' müssen wir
zusehen, wie wir diesen Kerl wieder so hinkriegen, dass er morgen Abend wieder
antreten kann!"
*
Diesmal erwachte Barn ohne fremde Hilfe. Allerdings waren
seine Träume auch nicht besonders angenehm gewesen. Er war von blutigen Löffen
und brüllenden Menschenhorden verfolgt worden, die ihn mit beißendem Sand
bewarfen. Er rieb sich den Kopf und grunzte.
Er stand auf. Sein Bett war für seine Ansprüche geradezu
göttlich bequem gewesen: Es hatte einen mit Stroh gefüllten alten Sack als
Unterlage. Natürlich trug er dadurch auch Wanzenbisse am Leib, aber das war er
von Jugend auf gewohnt. Die in der Arena empfangenen Schürfwunden auf seiner
Brust und an den Knien schmerzten mehr.
Er gähnte und streckte sich und kratzte die verfilzte blonde
Mähne. Dabei witterte er den verlockenden Geruch von frisch gebratenem Fleisch.
Schnüffelnd trat er aus seiner Schlafkammer in einen Gang,
wo eine einsame Fackel sich redlich mühte, mehr Qualm als Licht zu verbreiten.
Von links kamen die deutlichen Geräusche kauender und schmatzender Männer, und
von dort wehte auch der Bratendunst heran.
Barn ging weiter und gelangte in das Gewölbe von Grunters
Küche. Dort saßen Männer an Tischen und bissen zornig in dicke Steaks, als
wären es ihre schlimmsten Feinde.
Grunter war nirgendwo zu sehen, also blieb der Barbar
zunächst neben dem Eingang stehen. Diesmal nahm er sich die Zeit, die Essenden
genauer zu betrachten. Alle waren große, breitschultrige Kerle wie er selbst,
aber ihre Gesichter waren bleich und narbig und wirkten müde, als hätten die
Männer seit Jahren nicht mehr richtig geschlafen und wären überhaupt
unglücklich mit ihrem Leben. Die meisten hatten struppige Bärte, die
vorherrschende Haarfarbe war grau. Ihre Bewegungen waren langsam, ihre Mienen
verbissen, und niemand sprach ein Wort oder wechselte auch nur einen Blick mit
dem Nachbarn. Alle trugen das braune Stirnband.
Das deprimierte den Barbaren so sehr, dass er die nächste
Bank ansteuern und sich setzen musste.
Sofort erschien ein mageres, langes Individuum und stellte
eine große Holzplatte mit dampfendem Fleisch und einer Menge gebutterter
Maiskolben auf den Tisch. Daneben setzte er einen schäumenden Humpen voller
Bier ab. Der Nordmann wollte ihm ein Nicken schenken, aber als er den Kopf hob,
um den Mann anzusehen, war dessen Gesicht nur eine Masse roter Narben mit zwei
Augen wie ausgelaufene Eier darin. Es sah aus, wie von einem Raubtier
durchgekaut und wieder ausgespuckt. Barn senkte hastig den Blick auf die
Tischplatte und brummte etwas Entschuldigendes.
"Schon in Ordnung, Kumpel", schnarrte der
Narbenmann. "Ich hab' gehört, du hast dieses Vieh Lonzo erledigt! Er war
es, dem ich meine Schönheit verdanke. Du hast dein Bier verdient." Nach
einem sachten Schlag auf die rechte Schulter des Barbaren verschwand er wieder
in der Dunkelheit.
Mit wenig Appetit griff Barn nach dem ersten Fleischstück
und betrachtete eine Weile den herauslaufenden rotbraunen Saft. Dann beschloss
er, lieber doch mit dem Bier anzufangen. Als er den Humpen heben wollte,
klatschte eine dicke, haarige Pranke neben ihm auf den Tisch.
"He, Frischfleisch, lass' mein Bier steh'n!"
keuchte es heiser neben Barns Ohr, dass er den feuchten Atem auf der Wange
spürte. Wütend sprang der Nordmann auf und drehte sich zu dem Sprecher um.
Zwischen fettigen Strähnen dunklen Haars funkelten zwei
tückische Augen auf den Barbaren hinunter. Darunter brandete eine dicke,
mehrfach gebrochene Nase gegen die klebrige Lockenflut eines monströsen
Vollbarts. Unter dem Bart der Mann nicht schöner. Zottige Wolfsfelle bedeckten
einen Leib von Größe und Umfang eines Bierfasses und hingen herunter auf kurze,
knollige Beine, die in den größten Fußsäcken verschwanden, die Barn je gesehen
hatte. Die Oberarme waren so dick und fleischig, als wüchsen zwei Mastschweine
aus den knorrigen Kugeln der Schultern. Und schon ein Unterarm hätte als
Stützpfeiler eines Hünengrabes völlig ausgereicht.
Dies alles bildete zusammen einen Mann, der fast zwei Köpfe
größer war als Barn; und sicherlich dreimal so breit. Vor allem in den Hüften.
"Na, Frischfleisch, du kenns' mich noch nich'. Ich bin
der, dem du die Hälfte von deim' Essen un' dein ganzes Bier gibst." Die
Pranke grabschte nach dem Humpen und hob ihn an. Das Bier verschwand gurgelnd
in einem unbeschreiblichen Schlund jenseits der Schlingen des Bartes. Barn
starrte fassungslos, bis der Riese den Humpen fallenließ und entsetzlich
rülpste. "Mein Name is' Fart, un' jeder hier unten hört auf mich - oder er
hört nie wieder was, klar?"
Barn kniff nur die Augen zusammen und knurrte leise. Dieser
Mann hatte etwas getan, was selbst Flabbergasst, der Fürst der Dämonen, nie
gewagt hätte: Er hatte das Bier eines Nordmannes ausgetrunken!
Er packte den Tisch, und als der nicht gleich nachgeben
wollte, weil er im Boden festgeschraubt war, brüllte er wie ein wildes Tier,
bis er das schwere Möbelstück hochgerissen hatte. Dann rammte er es dem Riesen
mit aller Wucht in den Bauch. Fart kreischte wie eine Katze und ging zu Boden.
Doch damit war der Nordmann noch nicht zufrieden. Er prügelte mit dem Tisch so
lange auf den Riesen ein, bis die dicke Platte zertrümmert war. Erst dann ließ
er sich mit einem zufriedenen Grunzen auf den nächsten Hocker fallen und sah
sich um.
Ein paar Männer waren aufgestanden und funkelten ihn über
geballten Fäusten an, aber keiner wagte es, sich zu nähern. Barn grinste.
"Ho, Wirt!" brüllte er. "Ich brauch' nochmal
Fleisch un' Bier! Über mein' Tisch is' einer gestolpert un' hat alles
umgekippt!"
Im Laufschritt, die großen Hände an der blutigen Schürze
abwischend, kam Grunter aus der Küche gestürzt. Er betrachtete den
zerschmetterten Tisch mit gerunzelter Stirn, und als er den reglosen Fart am
Boden sah, weiteten sich seine Augen ein wenig. Dann wandte er sich Barn zu.
"Hat wohl dein Bier ausgetrunken, der da?" fragte
er.
Der Barbar nickte nur.
Grunter nickte ebenfalls.
"Was mich angeht, is' das in Ordnung, Großer. Aber Fart
hat hier noch'n paar gute Kumpels. Un' denen wird gar nich' gefallen, was du
mit ihrem Boss gemacht hast."
Während Barn aß, sammelten sich fünf Männer um Fart und
schleiften den Riesen schließlich mit viel Fluchen und Prusten aus der Küche.
Bevor sie jedoch in der Dunkelheit verschwanden, drehte sich einer, ein
kleiner, rattengesichtiger Kerl, noch einmal um und zischte: "Wir seh'n
uns in der Arena, Süßer!"
"Ich sehe, du bist schon dabei, Freunde zu machen,
Großer!" Meister Drakken erschien von irgendwoher und setzte sich dem
Barbaren gegenüber. Sein Auge funkelte. Aber seine Stimme klang ernst. "Ab
jetzt solltest du auf deinen Rücken achten."
Barn nickte kauend. Auf sein Bier würde er demnächst auch
besser aufpassen, bei Gruunz!
Der Trainer schwieg eine Weile und betrachtete den Barbaren
nachdenklich. Dann beugte er sich vor und senkte die Stimme.
"Es wird wohl Zeit, dass ich dir etwas über die Arena
erzähle, Großer."
Barn nickte nochmal und versuchte dann, sich mit einem
Schluck Bier die Fleischfasern aus den Zähnen zu spülen. Drakken begann zu
reden.
"Die Arena, Großer, die Arena ist unsere Mutter. Sie
ist das Herz dieses Landes, und es ist eine große Ehre, ihr dienen zu dürfen.
Denk immer daran, wenn du raus gehst und die Leute deinen Tod wollen - du
kämpfst für die Arena, nicht für den Pöbel. Wenn du für sie alles gibst, wird
sie dir alles geben, was du brauchst."
Der Trainer schniefte.
"Ich finde, ich habe das sehr schön gesagt",
brummte er.
Er hob einen Arm. "He, Grunter!" donnerte er.
"Schick' mir Narbe mit einem Bier her. Ich halt' unserem Großen hier die
Begrüßungsrede, da werd' ich immer durstig!"
Drakken schwieg, bis der Mann mit dem verstümmelten Gesicht
einen Humpen vor ihn gestellt hatte. Dann hielt er das Gefäß dem Barbaren
grüßend entgegen, setzte es an und leerte es in einem Zug.
"Ahhh!" keuchte er. "Das ist erfrischend wie
das Blut des ersten selbst erlegten Snark! Ja, Großer, Mutter Arena sorgt gut
für ihre Kinder - wenn die Kinder gut und stark sind! Ein schlechter und
langweiliger Kämpfer - so einer wie Fart und seine Schwachköpfe - bleibt ewig
hier unten und trägt sein braunes Stirnband, bis ihm irgendwann mal ein Vieh
oder ein besserer Kämpfer die Därme rausreißt. Braun ist das Band, braun wie
Dreck. Aber ein guter Kämpfer, einer, den das Publikum wiedererkennt, der kommt
weiter! Der steigt auf, kriegt Weiber, Gold und schnelle Wagen und wird
bewundert! Das alles ist im Kodex der Arena festgehalten, die Klassen, die
Farben der Bänder, die Art der Kämpfe. Wir sind hier unten in der vierten
Klasse, im Dreck, in den tiefsten Kellern. Aber jeder in der Arena ist frei,
sich hoch zu kämpfen! In der dritten Klasse, das sind die blauen Bänder, da
gibt es Betten ohne Läuse und alle Waffen außer der Axt! Die zweite, die rote
Klasse hat Schlafräume über der Erde und sogar ein Bad, und in der ersten
Klasse kannst du dir alles aussuchen: Die Waffen, die Rüstung, wann und gegen
wen du kämpfst; wenn du willst sogar die Farbe des Sandes! Und dein Bild hängt
überall, neben den Straßen, an den Häusern, in den Herzen der Menschen!
Ha!"
Meister Drakken senkte plötzlich den Kopf und schwieg.
"Aber es ist ein harter Weg dorthin." fuhr er nach
einer Weile sehr leise fort. "Für einen Kämpfer und seinen Trainer. Und
der Tod kommt schnell, überall. Und wenn nicht der Tod, dann kommt das
Alter..."
Das eine Auge des Trainers starrte eine lange Zeit in die
Leere seines Bierhumpens. Dann hob Drakken den Kopf wieder und schlug mit einer
riesigen Faust auf den Tisch, dass das Holz dröhnte.
"Also, Großer, das war's! Komm' jetzt mit, wir geh'n in
den Waffensaal, und du bekommst deinen ersten Unterricht von mir, Drakken Beilstein,
der von zehn Dutzend Kämpfen nur einen verlor!"
*
Der Trainer senkte das Schwert, wischte sich die Stirn und
starrte dem grinsenden Barbaren schwer atmend ins Gesicht.
"Tausend Teufel! Verdammt!" keuchte der alte Mann.
"Wo hast du so kämpfen gelernt?"
Barn zuckte mit den breiten Schultern. Gelernt hatte er gar
nichts. Er hatte einfach immer nur schneller zugeschlagen, als sein jeweiliger
Gegner. Das war alles.
Meister Drakken stellte das Schwert zurück in ein hölzernes
Gestell und setzte sich auf eine lange Bank, die an einer Seite der kleinen,
von vier runden Oberlichtern erhellten Halle stand, in der er und der Nordmann
gegeneinander gefochten hatten. Mit der Hand bedeutete er Barn, sich neben ihn
zu setzen.
"Du bist gut mit dem Schwert", begann Drakken, als
der Barbar sich neben ihn gesetzt hatte. "Aber du bist zu wild. Und, wie
ich gestern gesehen habe, hast du zu wenig Erfahrung mit anderen Waffen. Das
müssen wir ändern. Doch nicht mehr heute."
Der grauhaarige Trainer kniff die Augen zusammen und starrte
hinauf zu den Fenstern. Der Himmel darüber begann sich bereits zu röten.
"In einer Stunde beginnt dein nächster Kampf. Ich weiß
nicht, gegen wen oder was. Aber sieh zu, dass du ihn überlebst!"
*
Wieder stand Barn in einem knappen, aber knallbunten
Lederschurz, dicken Stiefeln und einem Armpanzer im Schatten einer Holzwand,
bereit, hinaus in den Sand und unter die Myriaden Augen der Zuschauer zu
treten. Aber diesmal hielt er als Waffe sein eigenes Schwert, den alten, guten
'Windmacher', in der linken Faust. Er grinste. So machte es fast Spaß, für sein
Essen zu arbeiten! Drakken hatte ihm die Klinge irgendwie beschafft und sie ihm
mit einem Schulterschlag in die Hand gedrückt.
"Großer, es is' ein Verstoß gegen den Kodex, was ich
mache - aber mit deinen Gegnern is' auch nix korrekt gelaufen. Fart hat bessere
Beziehungen nach oben, als ich gedacht habe. Aber mach' dir keinen Kopf. Wir
seh'n uns in der Arena." hatte er gesagt, und sein entsetzliches
Steingesicht hatte sich zu einem Ausdruck verzogen, den ein empfindsamerer
Beobachter als der Barbar vielleicht als Wut, gepaart mit Sorge, erkannt hätte.
Aber wahrscheinlicher war, dass ein empfindsamerer Beobachter einfach zu Tode
erschrocken wäre.
"Jetz' geht's los Junge!" rief die heisere Stimme
eines Arena-Soldaten neben Barn. "Wir seh'n uns in der Arena!"
Der Barbar lief an zwei Männern mit einem bluttriefenden
Korb voller Bauernschädel vorbei in das Licht der sinkenden Sonne. Als die
Holzwand zwanzig Schritte hinter ihm lag, blieb er stehen. Er blinzelte. Das
Tor, aus dem am Vortag Lonzo der Löffe gekommen war, blieb heute geschlossen.
Über ihm schmetterten die Trompeten ihr blechernes Lied.
Dann erhob sich wieder die Stimme des Sprechers, der König und Publikum
willkommen hieß und darüber informierte, dass die Bauern des heutigen
Vorprogramms aus dem Dorf Barf im sonnigen Süden des Landes gekommen waren.
"Und jetzt", fuhr die donnernde Stimme fort.
"Sehen wir als ersten Kämpfer des Abends wieder den jungen, blonden
Krieger, der uns schon gestern mit seinem wilden Löffenritt so gut zu
unterhalten wusste! Heute hat er sich eine wesentlich schwerere Aufgabe
gesucht: Er will Fart den Fleischhauer und seine Kumpane besiegen, und zwar
alle zusammen und auf einmal! Bewaffnet ist er diesmal mit einem Schwert und
einem Armpanzer mit Ellbogenstacheln! Das Öl an seinem Körper stammt von den
erstklassigen, kalt gepressten Oliven von Kaufmann Olaf Oeliz, der auch den
Sand bezahlt hat. Applaus für Olaf, Applaus für unseren jungen Krieger! Blut
und Därme zur höheren Ehre unserer geliebten Arena und des gottgleichen Königs
Dunggur!"
Der Lärm der Menge stürzte auf den Barbaren nieder wie ein
Schwarm von Geiern. Aber diesmal ließ Barn sich nicht einschüchtern. Er
streckte der johlenden und lachenden Horde auf den Rängen stolz sein Schwert
entgegen und brüllte: "Für Bier un' Braten, bei Gruunz!"
Doch dann senkte er Windmacher schnell, denn von drei
Holzwänden kamen von links, rechts und vorne insgesamt sechs Männer auf ihn zu.
Zwei von ihnen erkannte er sofort: Den kleinen Kerl mit der Rattenfresse und
den humpelnden, fetten Fart, der sein Bier gesoffen hatte. Die anderen ähnelten
einander wie Brüder, vier breite Schränke mit stumpfen Augen, zerschlagenen
Gesichtern und grauen Haaren.
Alle sechs trugen Holzkeulen, die mit dicken Stahlnägeln
gespickt waren. Sonst waren sie so nackt wie der Nordmann, was besonders bei
Fart wenig attraktiv anzusehen war, denn dessen Bauch war mindestens so behaart
wie der Wolfspelz, den er in den Gewölben getragen hatte, und er hing auch etwa
so tief über seine Knie. Auch sonst war der gigantische Schläger ein übler
Anblick, braune und blaue Blutergüsse und blutige Striemen zeigten an seinem
ganzen Körper, welch gründliche Arbeit Barn mit dem Tisch geleistet hatte.
Schon das Gehen bereitete Fart eindeutig Schmerzen. Aber er hielt sich aufrecht
und erteilte mit schnellen Gesten Befehle.
Wüst schreiend stürmten die vier Brüder von rechts und links
auf den Barbaren zu.
Barn wartete ruhig ab, denn er hatte viel Erfahrung im
Umgang mit Männern mit Keulen; für mindestens die Hälfte der Straßenräuber, die
ihm auf seinen Wegen aufgelauert hatten, war das die Standardwaffe gewesen.
Und keiner von ihnen hatte irgendetwas von dem Barbaren
bekommen außer großen Ärger.
Langsam ging er seitwärts, bis die ersten zwei Schläger
vielleicht noch zwei Handvoll Schritte entfernt waren. Dann stürmte er
plötzlich schwertschwenkend und grässlich brüllend voran. Mit einem
gigantischen Sprung erreichte er die beiden grauen Brüder und schwang
Windmacher einmal vor und einmal zurück. Zwei Keulen und zwei Köpfe fielen mit
dumpfem Klang in den Sand; gefolgt von den Körpern, die erst etwas später
bemerkten, dass sich das Weiterlaufen nicht mehr lohnte.
Die übrigen vier Schurken blieben abrupt stehen. Barn blieb
ebenfalls stehen und machte verblüfft "Ho!". Er hatte nicht gedacht,
dass dieser uralte Trick, auf den im Hochnorland nicht mal die Schneehasen
reinfielen, hier so perfekt funktionieren würde.
Das Publikum jubelte. Die zwei anderen Brüder gingen ein
paar Schritte rückwärts und schauten sich dann unsicher nach ihrem Anführer um.
"Greift an, Fotter un' Fnart! Verflucht!" heiserte
Fart von weit hinten. "Er is' allein, un' er is' nur Frischfleisch! Bei
Fnagg un' Fenn hatter halt Glück gehabt! Jetz' holt ihn euch endlich! Oder soll
ich wieder alles selbst machen?"
Fotter und Fnart starrten abwechselnd ihren Boss und den
Barbaren an. Man konnte in ihren einfachen Gesichtern lesen, dass sie
überlegten, wer von beiden am Ende gefährlicher war - und dass ihnen die
Entscheidung schwer fiel.
Der Nordmann, selbst kein Freund langen Denkens, nahm ihnen
den Entschluss ab. Er löste sich aus seiner Erstarrung und sprang schnell wie
ein stürzender Stern zwischen sie - natürlich brüllend und schwertschwingend.
Als die Wolken aufgewirbelten Sandes sich senkten, waren von
Barns Gegnern nur noch Fart und der Seemann übrig. Die Brüder Fotter und Fnart
waren zwar unverletzt geblieben, hatten aber voll Panik die Flucht ergriffen
und sich hinter den Holzverschlägen in Sicherheit gebracht. Die Zuschauer
pfiffen ihnen hinterher.
Schwer atmend riss der Barbar beide Arme hoch in die Luft.
Hoho, was war er für ein Kerl! Und hier konnten das viel mehr Leute sehen, als
er bisher in seinem Leben getroffen hatte!
Er brüllte seinen Triumph hinauf zu den buntbevölkerten
Sitzreihen. Langsam begann er dieses seltsame Gasthaus zu mögen, bei Gruunz!
Da explodierte ein scharfes weißes Licht in seinem
Hinterkopf. Schmerzerfüllt grunzend taumelte er herum.
Zehn Schritte entfernt stand Rattengesicht und grinste mit
braunen Zähnen. Seine Keule lag neben ihm im Sand; in der erhobenen rechten
Hand schwenkte er das Lederband einer Steinschleuder.
Die Stimme des Sprechers mischte sich von oben ein. "Es
scheint, geliebtes Publikum, das der Kampf vor unseren Augen etwas außer
Kontrolle gerät!"
Das Publikum jubelte. Der Sprecher fuhr fort. "Fisk,
der Adjutant des Fleischhauers, hat eine verbotene Waffe in die Arena
geschmuggelt! Es ist eine Schleuder des bekannten Waffenmachers Hannek Priem!
Mit den Prima-Qualitäts-Steinschleudern aus dem Hause Priem treffen sie das
Auge einer Elster auf fünfzehn Schritt! Wie es scheint, hat unser blonder
Fremder hier ein wirkliches Problem! Wir alle sind gespannt, ob er es lösen
kann!"
Barn knurrte hinauf zu der geschmückten Tribüne und rieb
sich den Hinterkopf. Dann rannte er, wie immer brüllend und schwertschwenkend,
auf Fisk zu.
Fisk wartete, bis der Barbar ihn fast erreicht hatte, dann
schwang er seine Schleuder erneut. Der Stein traf das linke Knie des Norländers
wie der Biss eines wütenden Frettchens. Barn heulte auf und stolperte.
Windmacher fiel in den Sand.
Fart stieß ein dröhnendes Gelächter aus und humpelte mit
hoch erhobener Keule vorwärts.
"Pack' ihn von hinten, Fisk!" rief er Rattengesicht
zu.
Der Barbar biss die Zähne zusammen, griff nach seinem
Schwert und versuchte aufzustehen. Das Knie pochte böse und wollte sein Gewicht
nicht recht tragen. Fisk sprang auf ihn zu. Barn ließ seine Klinge blitzende
Achten in der staubigen Luft beschreiben, doch der Seemann wich geschickt aus
und lief an ihm vorbei. Als der Nordmann sich umdrehen wollte, knickte sein
linkes Bein wieder ein. Fluchend ruderte Barn um sein Gleichgewicht. Da sprang
ihm jemand in den Rücken. Ein fester Riemen legte sich um seinen Hals. Das
magere Gesicht Fisks erschien neben Barns und grinste.
"Ne Schleuder is' nich' nur zum Schleudern gut,
Süßer!" höhnte er. "Sie is' auch'n prima Halsband!"
Mit erstaunlicher Kraft zog der Seemann das Lederband zu und
schnürte dem Barbaren fast die Luft ab. Barn keuchte und schlug mit den
Stacheln am rechten Ellenbogen nach Fisk. Doch der kleine Mann war schnell und
geschickt. Er wich elegant aus und zog die Schlinge um den Hals des Barbaren
nur noch fester.
Und dann stand plötzlich der riesige, borstige Schatten des
Fleischhauers Fart zwischen dem Nordmann und der untergehenden Sonne.
"Du hast 'ne Menge Zeug in dei'm Bauch, das eigentlich
mir gehört!" knarrte der Schläger. "Un' das werd' ich jetz' aus dir
'rausprügeln!"
Mit diesen Worten drosch er dem Barbaren eine seiner
kalbskopfgroßen Fäuste in den Bauch.
Was dann geschah, hatte wohl niemand erwartet, und es
geschah auch so schnell, dass die gierig brüllende Meute auf den Rängen nur die
Hälfte davon mitbekam.
Barn klappte unter dem mit vernichtender Kraft geführten
Schlag zusammen wie das Maul eines Karpfens in der Wüste. Fisk, der die Enden
des Schleuderriemens um die Handflächen gewickelt hatte, wurde durch die
Bewegung von den krummen Beinen gerissen und in einem exakten Bogen über den
Kopf des Barbaren geschleudert. Seine harte Stirn traf die Stirn seines Chefs
genau oberhalb der Nasenwurzel. Der stieß einen gurgelnden Laut aus, verdrehte
die Augen und verlor das Bewusstsein. Wie ein bleigefüllter Sack schlug er im
Sand auf. Fisk rutschte zur Seite, fiel mit dem Brustkorb direkt in die
handspannenlangen Stacheln der Keule des gestürzten Fart und verlor mehr als
nur das Bewusstsein.
Als Barn der Barbar nach einer langen Zeit des Würgens und
Keuchens schwankend aufstand, verblühte gerade das letzte Licht der Sonne. Der
Barbar blinzelte. Vor ihm lagen der fette Bierdieb und das Rattengesicht im
Sand. Der Seemann rührte sich nicht mehr. Aus seinem Rücken ragten drei
hässliche Metallspitzen, also war es wohl besser für ihn, tot zu sein.
Doch Fart stöhnte und blinzelte und stemmte sich mit seinen
gewaltigen Armen hoch. Sein Gesicht hob sich zum Nordmann, und ein einzelner
Lichtsplitter der untergehenden Sonne fing sich in seinen Augen wie
Fackelschein in einem rotgoldenen Spiegel. Plötzlich lächelte er.
"O holde Maid, hast du heut' für mich Zeit?"
flötete er so lieblich, wie es seine ledrigen Stimmbänder zuließen.
"Ho-ja-ho-ja-hoo!" fügte er noch hinzu, dann brach
er endgültig zusammen.
Barn starrte irritiert auf die ganze Szene. Ihm war
hundeelend, und zu Späßen solcher Art fühlte er sich nicht aufgelegt.
Eigentlich fühlte er sich zu überhaupt nichts aufgelegt, denn alles, was er
hatte geben können, lag um ihn im Sand, einschließlich seines Mageninhalts.
Als sich nach einer Weile die Abdecker hinter den Holzwänden
hervor wagten, um die Toten zu entfernen, ließ er sich widerspruchslos zurück
in die Keller unter Arena führen.
*
Mürrisch, mit einem Gefühl, als wäre sein Bauch eine
schimmlige Tomate, kauerte Barn auf seinem Hocker und starrte auf den Tisch.
Dort prunkte zwischen zwei zischenden Kerzen aus Kalbstalg
die gewaltige gekochte Leiche eines bleichen Fisches auf einer Holzplatte. Ein
breit strahlender Grunter hatte dem Barbaren die Mahlzeit mit sichtlichem Stolz
vorgesetzt.
"Das ist ein Grottengruul, ein äußerst kostbarer Fisch,
den es nur in einer Kaverne unter der Arena gibt. Er ist außerordentlich schwer
zu fangen, denn er ist blind und kann die Köder nicht sehen", hatte der
Koch erklärt. "Noch schwieriger aber ist es, ihn richtig zuzubereiten. Nur
wenige wissen, wie man ihn kochen muss, damit sein tödliches Gift ausdunstet.
Und selbst dann schmeckt er noch grauenvoll, wenn man ihn nicht gleich nach dem
Fangen auf spezielle Weise verprügelt hat. Ich schmeichle mir, als einziger
Koch auf der Welt die Zubereitung des Grottengruuls perfekt zu beherrschen. Nun
iss, mein Großer, ich habe es speziell für dich gemacht, zur Feier deines
Aufstiegs in die nächste Klasse!"
Barn grunzte und stocherte unlustig mit dem Dolch im Fisch
herum. Dessen Fleisch war so bleich wie eine Wasserleiche, und sein Geruch
machte den Vergleich leider nicht abwegiger. Als der Barbar sich mit dem Mut
des geborenen Kämpfers endlich doch auf einen Bissen einließ, schmeckte der
Grottengruul überraschenderweise eher holzig, trocken und staubig, wie ein
Dachboden voll alter Spinnweben.
Er würgte das Fischstück herunter, dann griff er hastig zum
Becher neben dem Teller und leerte ihn mit einem Zug.
"Bei Gruunz!" konnte er noch keuchen; dann blieb
ihm die Luft weg. Eine riesige Hand schien seine Eingeweide mit glühenden
Fingern zusammen zu ziehen. Erst ein gewaltiger Schlag von Drakken Beilstein
auf die Schultern brachte ihn zurück in die Welt der Atmenden.
"Großer, Großer!" lachte der Trainer heiser.
"Verträgste nich mal Eierlikör?"
Der Schnaps, eine trübe, dicke Flüssigkeit, war Drakkens
Geschenk zu Barns Ernennung zum 'Kämpfer Dritter Klasse'. Die
Auseinandersetzung des Barbaren mit Fart und seinen Leuten hatte das Publikum
so amüsiert, dass es nach dem Kampf lautstark die Beförderung des Nordmannes
gefordert hatte, und ein parfümierter Bote mit spitzer Nase hatte dem immer
noch halb bewusstlosen Barn schon eine Stunde später ein entsprechendes
Schriftstück mit königlichem Siegel überreicht.
Natürlich hatte der Mann aus dem hohen Norden mit dem mit
'Schrift' überladenen Pergament aus Eselshaut nicht viel anzufangen gewusst,
aber der Trainer hatte nach längerer Suche eine alte Frau auftreiben können,
die normalerweise Eintrittskarten an die Besucher der Arena verkaufte. In
schwerfälligem Ton hatte sie die Ernennung verlesen. Der daraufhin aufbrandende
Jubel in Grunters Küche hatte dem Barbaren so sehr im Schädel geschmerzt, dass
er sich übergeben hatte.
Drakken Beilsteins gesundes Auge blitzte, als er dem
Barbaren nach beendetem 'Festmahl' kräftig zwischen die Schultern schlug.
"Un' nu', Großer", dröhnte er mit schwerer Stimme,
denn er hatte ebenfalls kräftig dem Schimmelwein zugesprochen. "Un' nu'
ham wir noch'n Geschenk von den Kämpfern hier unten! Die sin' alle sehr froh,
dass du ihn' endlich Fart un' seine Drecksäcke vom Leib geschafft hast! Sie ham
alle zusammengelegt für dein Geschenk! Hier kommt es!"
Ein großer, stämmiger Kämpfer mit kahl rasiertem Schädel und
einem unverschämten Grinsen im Gesicht schob eine hölzerne Sackkarre mit einem
unförmigen Paket darauf in die Küche. Er stellte das Paket sachte auf den Boden
und verschwand immer noch grinsend wieder in der Dunkelheit.
"Jetz' musst du es aufmachen, Großer!" rief
Drakken. "Fass' den Zipfel un' zieh kräftig!"
Barn stand schwankend auf und stellte sich vor das Paket,
das ihm bis kurz unter den Hals reichte. Nach mehreren Versuchen schaffte er
es, ein auffällig abstehendes Stück Stoff zu greifen. Er zog daran, wie er ein
Schwert gezogen hätte. Das Paket kicherte und begann sich zu drehen. Der Stoff
wickelte sich in breiten Bändern ab. Wie ein Schleier glitt er auf die
schmutzigen Fliesen.
Dann war der Inhalt vollständig entblößt.
Barns blaue Augen weiteten sich. Sein schwerer Unterkiefer
klappte herab. Aller Missmut und aller Schmerz in seiner Brust lösten sich
spontan auf und machten einer unbegrenzten, triebhaften Begeisterung Platz.
Was er da ausgepackt hatte, war... ein Mädel! Ein nacktes
Mädel! Und was für ein Mädel!
Ein Mädel mit einem Körper, rund und braun und glänzend wie
ein frisch gebackenes Brot, mit Brüsten, voll und keck wie das Lächeln einer
Liebesgöttin, gelockten Haaren von der Farbe gerösteter Maronen und einem
lachenden Gesicht mit Augen grün wie das verwunschene Herz des Waldes!
"Na, Großer?" grinste der Trainer. "Das is'
dein Herzblatt für heute! Du kanns' die Kleine mit 'raufnehmen in dein neues
Bett oben in der dritten Klasse!"
*
Barn fuhr aus dem Schlaf und zitterte am ganzen Körper. Auf
seiner Stirn stand kalter Schweiß. Er hatte einen Alptraum gehabt, der so
entsetzlich gewesen war, dass er ihn bereits vollständig vergessen hatte.
Der Grund dafür war einfach: Das Bett war zu bequem, die
völlig ungewohnte Weichheit und Sauberkeit der Decken machte den Instinkt des
Kriegers ganz krank vor Misstrauen. Soviel Gutes konnte seiner Meinung nach nur
abgrundtief schlecht enden. Deshalb schickte er seinem Besitzer schlechte
Träume als Warnsignal.
Mit einem Fluch sprang der Barbar auf und tastete nach
seinem Schwert. Er fand neben sich jedoch nur die festen, warmen Formen von
Bekka, der jungen Tänzerin aus dem Vorabendprogramm. Das Betasten des
gutgebauten Mädels beruhigte den Nordmann schnell und lenkte seine Gedanken auf
andere Bahnen, die zwar auch aufregend waren, aber auch viel angenehmer. Bekka
stöhnte leise im Schlaf, denn sie hatte als Barns Geschenk bereits eine recht
aufregende Zeit verbracht. Doch die großen Hände des Barbaren, im Liebesspiel
fast so erfahren wie im Umgang mit dem Schwert, weckten sie schließlich.
*
Als der Nordmann das nächste Mal erwachte, fiel bleiches
Licht durch ein kleines Fenster in sein neues Zimmer. Der Platz neben ihm war
kalt und leer. Das Mädel war gegangen. Barn grunzte. Das war ganz in Ordnung
so, ihm fielen am Morgen danach ohnehin nie die richtigen Worte ein.
Er gähnte, streckte sich und schob die weiche Wolldecke
beiseite. Ächzend senkte er die Beine zu Boden und stand auf. Während er sich
ausgiebig kratzte, sah er sich um.
Seine Kammer war winzig, sie bot gerade einmal Platz für das
Bett und einen kleinen, dreibeinigen Schemel, der entschieden bessere Tage
gesehen hatte. Auf dem Schemel lag sein bunt bemalter Lederschurz, darunter
standen die Stiefel und stanken sauer nach schweißigen Füßen.
Die Wände des Raumes waren gekalkt und vor gar nicht allzu
langer Zeit wohl wirklich weiß gewesen. Und dann gab es da dieses Fenster.
Eigentlich war es gar kein richtiges Fenster, vielmehr ein winziges,
kreisförmiges Loch hoch oben unter der gewölbten Decke, aber es ließ eindeutig
Tageslicht herein.
Barn studierte die auffälligen Verbesserungen in seiner
Unterbringung mit Misstrauen: Er wusste, dass Wirte für weiße Wände, Wolldecken
und Tageslicht eine Menge mehr an Münzen verlangten, als er für ein Quartier
auszugeben bereit war.
Wahrscheinlich wurde es langsam Zeit, dass er dieses
Gasthaus verließ; der sonnenüberflutete, staubige Süden begann ihm ohnehin auf
die Nerven zu gehen, er sehnte sich nach anständigem Eis und einem klammen
Bett, dessen ungegerbte Felldecke am Morgen steif gefroren war.
Er hustete und packte den Griff der schmalen Tür dem Bett
gegenüber, halb in Erwartung, sie verschlossen zu finden. Doch sie ließ sich
einfach öffnen, nur ihre Scharniere knarrten entsetzlich. Leise wie eine Katze
ging Barn auf nackten Sohlen hindurch und auf einen schmalen Gang, dessen weiße
Wände von flackernden Wachslichtern beleuchtet wurden.
"Na, Großer, hat dein Herzblatt dich so beschäftigt,
dass du nicht mal mehr ans Anziehen denkst, wenn du aussem Zimmer gehst?"
Meister Drakken Beilstein stand neben der Tür an die Wand gelehnt und schnitzte
mit einem riesigen Messer geräuschvoll an seinen klobigen Fingernägeln herum.
Barn grunzte und räusperte sich.
"Hm, Wirt", brummte er. "Ich wollt' nur mal
draußen nach dem Rechten seh'n, ho."
"Ist mir schon klar, Großer", sagte der Trainer.
"Wir alle ham manchmal Sehnsucht nach einem bisschen Licht un' Luft un'
Freiheit. Aber wenn wir 'ne Zeitlang draußen waren un' geseh'n ham, wie die
Welt wirklich is', dann geh'n wir sehr gern zurück in unsere gemütliche Arena.
Ich zeig's dir. Zieh dir was an un' komm mit!"
Getrieben von Unruhe und Neugier band der Barbar nur den
Schurz um, das Anziehen der Stiefel erschien ihm zu schwierig. Dann trat er
wieder auf den Gang. Meister Drakken forderte ihn durch ein Nicken zum Folgen
auf.
Der Trainer führte Barn über eine unübersichtliche Menge von
Stufen und Rampen immer höher bis zu einer kleinen Tür, die kaum breiter war
als der Zugang zur Kammer des Barbaren. Doch diese Tür hier wurde von zwei
menschlichen Felsbrocken bewacht, die wie Grunter Brüder von Drakken hätten
sein können.
"Ich zeig' dem Bengel hier mal die Stadt",
erklärte der Trainer den Wächtern. Die nickten nur, und einer schloss
umständlich die Tür auf.
Barn trat als erster hinaus. Das grelle Licht und die
trockene Hitze der Außenwelt brachen mit solcher Gewalt über ihn herein, dass
er spontane Sehnsucht nach den kühlen und dunklen Gewölben des Gasthauses
verspürte. Doch die kleine Tür war schon wieder verschlossen. Barn grunzte. Er
war froh, nur den Schurz zu tragen.
"Schau hoch! Schau über dich!" forderte ihn der
Trainer in triumphierendem Ton auf.
Barn gehorchte und hob seinen Blick entlang einer schier
endlosen Mauer aus riesigen, gelb-braunen Quadern in den Himmel.
"Das ist sie! Die Arena! Zweimal hundert Schritte hebt
sie sich über die Stadt!" rief Drakken dramatisch. "Ich bin sicher,
sie ist das gewaltigste Bauwerk aller Welten!"
Der Barbar grunzte nur. Ihm kam jedes Bauwerk, das größer
war als ein Männerhaus, gewaltig vor. Und verschwendet. Denn alles Glück der
Welt konnte man in einem Männerhaus finden: Mädels, Bier und Schweinehaxen.
"Vor über drei mal zehn Jahren erbaute König Dunggur in
seiner Hauptstadt O'bah Dungg dieses riesige Theater, um sein Volk zu erfreuen!
Die Arena hat zweimal hundert Mal hundert Plätze, genug, um allen Bewohnern des
Reiches Dungg gleichzeitig einen Sitz zu bieten. Es gibt ein Programm, das von
Morgengrauen zu Morgengrauen reicht, und von zehn mal hundert Kämpfern,
Sängern, Tänzerinnen, Narren, Aufräumern, Abdeckern, Sandträgern, Kulissenbauern
und mehreren Dutzend weiterer Berufe dem Publikum dargeboten wird."
Meister Drakken Beilstein schien diese Rede schon oft
gehalten zu haben, denn sein Steingesicht veränderte sich während der Worte
nicht. Der Nordmann drückte unterdessen seine Zehen in die weiche Masse
zwischen den warmen Pflastersteinen unter seinen Füßen. Er beobachtete das
schöne Haus auf der gegenüberliegenden Straßenseite, wo sich ein nacktes Mädel
völlig ungeniert auf dem Balkon sonnte.
Der Trainer bemerkte das mangelnde Interesse seines
Schützlings an der Arenageschichte und brummte: "Na gut. Von hier sieht
man eh nich' so viel. Lass uns also in die Stadt geh'n."
Er packte Barn unsanft am Arm und schob ihn über die Straße.
"Das hier ist das Viertel des Stabes. Es liegt rund um
die Arena und ist vom Rest der Stadt durch hohe Mauern abgetrennt. Hier wohnen
die Leute, die die Spiele organisieren, und die Leute, die den Leuten, die die
Spiele organisieren, gut gefallen. Außerdem gibt es ein paar ausgediente
Kämpfer, die sich als Co-Kommentatoren irgendwie einen Namen gemacht
haben."
Drakken verzog das Gesicht zu einer weiteren unmenschlichen
Grimasse, um anzudeuten, wie wenig er von solchen Leuten hielt. Barn starrte
immer noch die meiste Zeit auf seine Füße, denn die schritten mittlerweile über
einen breiten Gehsteig, dessen Pflastersteine verdächtig wie Goldbarren
aussahen. Neben ihm auf der Straße donnerten manchmal rot oder blau lackierte
Sportstreitwagen mit einer schier unglaublichen Zahl von Zugpferden vorbei, in denen
alte, zerknitterte Knaben mit besessenen Augen neben sagenhaften Schönheiten
saßen.
Die gleichen sagenhaften Schönheiten schlenderten auch
entspannt über den Gehsteig und zwinkerten dem kaum bekleideten jungen Barbaren
auf eine Weise zu, die der in nordischer Kälte aufgewachsene Barn gleichzeitig
aufregend und empörend fand. Ein dunkelbraunes Mädel ging sogar so weit,
anerkennend zu pfeifen und dem Nordmann im Vorübergehen einen leichten Klaps
auf das Hinterteil zu verpassen.
Der Barbar grunzte; seine linke Hand ruckte kurz zur
Schulter, wo er sonst das Schwert trug. Drakken neben ihm stieß ein kurzes
Keuchen aus, das ein Lachen sein konnte oder ein Laut tiefster Missbilligung,
oder wirklich nur Husten.
"Ja, Großer, der Stab des Präsentors versteht es
wirklich, gut zu leben." sagte er schließlich und wies mit weiter Geste
auf die prächtigen Fassaden. "Schöner als das Center soll nur noch der
Palast des Königs vor der Stadt sein. Aber den habe ich noch nie gesehen und
kenne auch keinen, der schon mal da gewesen ist."
Der Trainer nickte bedeutungsvoll und verstummte. Schweigend
gingen er und der Barbar die großartige Straße hinunter, an deren Ende ein
gewaltiger, keilförmiger Torturm aufragte, der die Morgensonne verdeckte.
Staubschleier aus der trockenen Ebene vor der Stadt ließen den Himmel golden
glänzen.
Unter dem Torbogen stand eine Menge Wächter. Drakken
bedeutete dem Nordmann zu warten und ging zu einer Gruppe älterer Soldaten in
besonders prunkvollen Rüstungen. Er wurde mit lautem Geschrei empfangen und
schien mit den Männern bestens vertraut. Es wurde viel gelacht; manchmal warf
der eine oder andere Soldat einen Seitenblick auf Barn, und dann wurde das
Gelächter lauter. Endlich kam der Trainer zurück zu dem Barbaren.
"Geht in Ordnung, Großer. Meine alten Freunde hier
draußen ham alle deinen Kampf gestern Abend gesehen. Sie mögen dich. Sagen, du
hättest Stil." Er klopfte Barn auf den Rücken. "Wir könn' uns draußen
in der Vorstadt 'n bisschen umsehen."
Meister Drakken führte den Nordmann vorbei an den
Torwächtern, die ihm zunickten, grinsten oder den Daumen hoben. Eine einsame
Trompete ertönte von weit oben und ließ Barn zusammenzucken. Der Trainer
bemerkte es und lachte leise.
"Arenakoller, hm, Großer?" fragte er gutmütig.
"Ging mir am Anfang auch so. Jede Trompete, jede lautere Stimme, un' ich
bin hochgegangen." Er kratzte sich die buschige, steingraue Braue über dem
intakten Auge. Schuppen stoben auf. "Nebenbei, Großer, da gibt's noch
was... wie is' eigentlich dein Name?"
Der Barbar blickte seinen Trainer schlau grinsend an.
"Barn heiß' ich, Mann! Barn von Täppenwinkel!"
rief er stolz. Das war eine der wenigen Fragen, die er fast sofort und meist
richtig beantworten konnte.
"Jetz' schau dich um." brummte Drakken missmutig
und zeigte auf die Reihen der zerfallenden Häuser hinter ihren riesigen
Schilden aus bunten Bildern. "Ich bin hier geboren un' liebe dieses Land.
Aber wie's hier aussieht, gefällt mir jedes Mal weniger."
Barn grunzte nur.
Die Vorstadt war noch der gleiche trostlose Ort, den er auf
seiner Ochsenkarrenfahrt gesehen hatte. Wenn man ihn barfuß betrat, wirkte er
sogar noch schmutziger.
Die Menschen schlurften teilnahmslos an Barn und dem Trainer
vorbei. Ihr Elend war schwer zu übersehen. Die leuchtenden Kleider waren nur
dünnes, bemaltes Papier, und die grelle Schminke der Gesichter konnte nicht
verbergen, dass der Hunger dahinter wohnte.
Während die Sonne stieg, wurde es heiß in den staubigen
Straßen. Es stank nach Kot und Müll und ungewaschenen Körpern.
Meister Drakken runzelte die Stirn über all das, und bei
diesem Anblick verschwanden ein paar Leute in den Hauseingängen, in denen sie
herumgelungert hatten. Nur ein ausgemergeltes Mädchen mit wirren Haaren und
leeren Augen blieb zurück und schwenkte den Männern die knochigen Hüften
entgegen. "Na, ihr zwei Schönen?" krächzte es. "Wie wär's? Für'n
Laib Brot könnt ihr meinen Leib haben!"
Der Trainer scheuchte es mit einer Handbewegung fort.
Kichernd stolperte es davon.
"Es wird immer schlimmer", brummte Drakken.
"Die Leute, die noch Geld ham, hocken in der Arena un' seh'n zu, wie die
anderen von Löffen zerrissen un' von Snarks gefressen werden. Die Felder werden
immer trockener, un' die Ernte verkommt. Un' hier in der Vorstadt hat kaum
einer genug zu essen."
Barn brummte zustimmend. Er hatte auch schon wieder Hunger.
Beide Männer gingen eine Weile schweigend nebeneinander her.
Trostlosigkeit reihte sich an Trostlosigkeit, und dazwischen sah es manchmal
noch schlimmer aus. Dann stieß Drakken den Barbaren an.
"Sieh mal da!" sagte er und stieß einen rasselnden
Laut aus, der so ähnlich klang wie ein Satz Knochenwürfel in einem
Sandsteinbecher. Wahrscheinlich sollte es ein Kichern sein. Mit einem
knüppeldicken Finger deutete er auf eine Wand, vor der magere Maler auf einem
Holzgerüst standen und mit sparsamen Pinselschlägen große Mengen von 'Schrift'
unter das Bild eines blonden Hünen auftrugen. Neben dem mächtigen Krieger
krümmte sich ein blutender Löffe schwanzlos im Sand. "Das sollst du sein,
Mann!" rief Meister Drakken lachend
Der Barbar grunzte nur und schüttelte den Kopf. Wie konnte
er das sein, wenn er doch schon hier auf der Straße lief? Dann blickte er noch
einmal auf zu den grinsenden Gesichtszügen des blonden Kämpfers und verkniff
die Augen. Den Kerl hatte er tatsächlich schon mal gesehen. Aber nicht hier.
Das war mal bei irgendeinem Brunnen oder See gewesen, oben in Thenil oder
Krawalle.
Plötzlich entstand Unruhe. Einige Kinder liefen laut rufend
durch die Straße. "Kommt alle!" kreischten sie schrill. "Jon Ben
Sissi spricht beim Staubbrunnen zum Volk!"
Ein sichtbarer Ruck lief durch den gewaltigen Körper des
Trainers, und er blieb starr stehen.
"Ben Sissi?" murmelte er. "Er lebt
noch?"
Barn machte leise "Ho?" Irgendwie kam ihm der
seltsame Name auch bekannt vor. Aber nicht so bekannt wie das Gesicht des
blonden Burschen oben auf dem Plakat. Er grübelte, wer bei Gruunz das sein
konnte.
"Lass' uns hier die Seitengasse nehmen, Barn",
brummte Drakken. Seine Stimme klang seltsam tonlos. "Sie führt zum
Staubbrunnen. Ich muss sehen, ob dieser Jon Ben Sissi derselbe ist, den ich
gekannt habe."
Der Staubbrunnen wirkte wie ein Symbol für den Zustand der
Stadt O'bah Dungg. Selbst der Barbar konnte sehen, dass die halbrunde
Brunnenanlage einst von großer Pracht gewesen sein musste. Nun waren die
zahlreichen riesigen Statuen, die wohl einmal üppige Wassergöttinnen und ihre
fischschwänzigen Begleiter dargestellt hatten, nur noch kopflose Rümpfe mit
tiefen Wunden im steinernen Fleisch. Die Reste waren wie üblich mit
unpassenden, grellen Farben bemalt worden. Und natürlich waren die Becken
trocken.
Eine Menge Menschen hatte sich um den alten Brunnen
versammelt und starrte mit offenen Mündern auf einen dürren, braunen Mann, der
auf einer geborstenen Säule stand. Barn erkannte ihn fast sofort: Es war der
alberne Schwätzer aus der Wüste. Und auch hier schwatzte er und fuchtelte in
der Luft herum. Er schien sehr aufgeregt.
Meister Drakken war das auch, sobald er den Mann gesehen hatte.
"Jon Ben Sissi", murmelte er. "Er ist es."
Jon Ben Sissi sprach mit beeindruckend lauter Stimme, vor
allem, wenn man berücksichtigte, wie schmal sein Brustkasten war. "Das
Leben nehmen sie euch weg, diese Verbrecher! Und ihr applaudiert ihnen noch! Seht
euch doch an! Das alberne, bunte Papier, das ihr tragt: Keineswegs seht ihr
damit aus wie die Herren der Arena! Das Viertel des Stabes lacht nur über euch!
Oder die Bilder, die vor euren Fenstern hängen und eure Häuser zu dunklen
Höhlen machen: Bringen sie euch den Ruhm der Kämpfer? Ruhige Träume in der
Nacht? Und wen soll der farbige Schlamm in euren Gesichtern täuschen? Euren
leeren Magen? Euch selbst?"
Jon hielt für einen Augenblick mit gesenktem Kopf inne. Dann
hob er einen Zeigefinger in die Richtung, in der wahrscheinlich die Arena lag,
und holte tief Luft.
"Die Arena ist das Monstrum, das euch frisst!"
fuhr er anklagend fort. "Und ihr tanzt singend in sein Maul, weil ihr
glaubt, es führe direkt in den Himmel! Ihr seid abgerichtet und dumpf wie Zugochsen,
abgerichtet seit eurer Kindheit vom Stab des Präsentors, und, was schlimmer
ist, von euren eigenen Eltern, die bereits genauso abgerichtet wurden! Zum Tode
verurteilte Bauern jubeln voller Glück, weil sie von den wilden Tieren der
Arena zerrissen werden! Ihr sitzt auf harten Steinbänken und starrt, statt auf
eure hungrigen Bäuche zu hören! Eure Söhne töten sich in den Straßen, weil ihr
einziges Lebensziel ist, Kämpfer in der Arena zu werden! Eure Töchter verkaufen
sich an reiche Schweine, weil sie hoffen, in der Arena tanzen oder singen zu
dürfen!"
Jon hob beide Arme in einer beschwörenden Geste.
"Hört auf damit! Erwacht! Die Spiele in der Arena sind
nur ein Werkzeug der Herrschenden, die euch dadurch darüber täuschen wollen,
dass sie unfähig sind, euch Essen und Arbeit zu geben! Unser Land ist arm, und
es wird immer ärmer!"
In diesem Augenblick kam ein schrilles Geschrei von hinten.
Barn fuhr herum und sah die gleichen Kinder, die auf der Straße Jons Rede beim
Staubbrunnen angekündigt hatten, nun mit schreckverzerrten Mienen und wedelnden
Armen heranlaufen.
"Flieht alle!" kreischten sie schrill. "Die
Stabträger des Präsentors kommen!"
Weit hinter den Kindern wurde Hufgetrappel laut.
Die Menge geriet in wilden Aufruhr. Alles redete und lief durcheinander.
Staub stieg in dicken Wolken auf. Als er sich legte, standen nur noch Drakken
und Barn auf dem Platz vor dem Brunnen. Selbst Jon Ben Sissi war verschwunden.
"Komm, Großer, unser Ausflug ist beendet." Der
Trainer stieß den Barbaren an. "Wir verschwinden besser auch. Ich hab'
keine Lust, den Stabträgern zu begegnen."
Drakken Beilstein schwieg auf dem ganzen Weg zurück in die
Arena. Seine finstere Miene machte es sogar dem einfachen Gemüt des Nordmannes
deutlich, dass es besser war, den Trainer jetzt nicht mit Fragen zu belästigen.
Aber Barn hatte von den Ereignissen ohnehin nicht genug verstanden, um
neugierig zu sein.
Er war nur extrem erleichtert, als sich die schwere Tür des
kleinen Zugangs hinter ihm schloss und er sich wieder im kühlen Dunkel der
niedrigen Gänge befand. Er ließ sich vom Trainer zur Schlafkammer führen und
sank dort sofort auf sein hartes Bett. Bei Gruunz, was für eine üble Stadt!
*
Ein festes Klopfen ließ den Barbaren sofort wieder
auffahren. Jedenfalls glaubte er, dass es sofort war. Aber sein Kopf schien
merkwürdig schwer, und in seinem Mund schwamm ein übler Geschmack. Und das
Licht, das über ihm in die Kammer fiel, zeigte seinen geblendeten Augen, dass
der Mittag lange vorbei war. Er hatte tatsächlich geschlafen.
Drakken Beilstein stand neben dem Bett und sah ihn grimmig
an.
"Kleiner Schönheitsschlaf, oder was?", raunzte er.
"Jemand will dich seh'n. Komm' mit!"
Diesmal ging es über Mengen von Stufen und Rampen steil nach
oben. Dabei wurden die groben Steine der Wände erst durch behauene Blöcke, dann
sogar von matt schimmerndem Marmor abgelöst. Schließlich bedeutete ihm der
Trainer, stehenzubleiben. Drakken selbst trat durch ein breites Portal, das von
einem schweren, mit funkelnden Fäden durchwirkten Vorhang verhüllt wurde, der
außerordentlich teuer aussah. Dort blieb er eine Weile
Dann tauchte sein Kopf zwischen den Vorhangfalten auf.
"Kannst 'reinkommen, Barn!"
Barn nickte und schob den Stoff beiseite, der kühl und fest
wie ein Kettenhemd wirkte. Er trat in einen hohen, von goldenem Licht
durchflutetem Raum, dessen gesamte Rückwand ein von Säulen unterbrochenes
Fenster war. Davor saß an einem Tisch aus poliertem Stein eine große,
breitschultrige Gestalt mit struppigen Haaren. Mehr war im Gegenlicht nicht zu
erkennen.
"Das ist Kärrn der Killer", sagte Meister Drakken
rau. "Er ist ein Meisterkämpfer der Arena." Dann nickte er und
verschwand rückwärts durch den Vorhang.
"Setz' dich, Barn von Täppenwinkel", forderte
Kärrn den verwirrten Barbaren auf. Er klang flach und seltsam tonlos. Barn
entdeckte einen prachtvollen Klappstuhl aus Muggahholz vor dem Marmortisch und
ließ sich darauf niederfallen. Kärrn nickte und stand auf. Er trat neben den
Tisch. Nun war er genauer zu sehen.
Kärrn der Killer war vielleicht zehn Jahre älter als der
Nordmann, und diese zehn Jahre hatten sich unauslöschlich in sein Gesicht
gefressen. Es war eine konzentrierte Maske der Ruhe und Traurigkeit, begrenzt
von einem abstehenden Kranz strohiger blonder Haare. Brennende blassblaue Augen
und zahlreiche Narben kündeten von einem schweren Leben. Ein Gewirr tiefer
roter Furchen am Hals machte klar, warum die Stimme keinen vollen Klang mehr
hatte.
"Ho, Barn, ich bin Kärrn von Wulkenschand. Ich komm'
aussem Norden wie du", sagte der Killer langsam. "Ich hab' dich
kämpfen sehn."
Barn nickte und grunzte. Die Burschen aus Wulkenschand waren
im Hochnorland eine echte Plage gewesen. Aber hier war nicht das Hochnorland.
Jeder, der vom oberen Ende der Welt kam, war hier im staubigen Süden ein
Kumpel. Barn verzog sein Gesicht zu einem herzlichen Grinsen. Er sprang auf und
ging auf Kärrn zu. Kärrn schlug ihm mit vernichtender Wucht auf die rechte
Schulter. Barn schlug genauso brutal zurück. Beide Männer lachten dröhnend.
"Ho, Kumpel!" rief Kärrn.
"Ho, Kumpel!" rief Barn.
"Ich hab'n Vorschlag für dich, Kumpel", sagte
Kärrn.
Das strahlende Licht hinter dem großen Fenster wurde
schwächer und infizierte sich mit dem sachten Rot des späten Nachmittags. Die
ganze Zeit über redete Kärrn auf Barn ein. Sein Plan war einfach, aber beide
Männer waren Norländer, und deshalb dauerte alles etwas länger.
"Also, alles klar, hm?" schloss Kärrn endlich.
"Wir kämpfen, ich tu so, als wär ich tot, du gewinnst. Mein Kumpel bei den
Abdeckern schleift mich raus un' schafft mich ausser Arena. Ich kann endlich
wieder nachhause. Un' du steigst sofort auf inne zweite Klasse un' kriegs' all
die Mädels, ne?"
Barn nickte. Klar, das klang gut. Mädels, ho! Er grinste
breit. Dieser Kärrn gefiel ihm. Zum Abschied schlugen sie sich wieder auf die
Schultern.
Kärrn zwinkerte.
"Seh' dich inner Arena, wie, Kumpel?"
Barn nickte erneut.
Meister Drakken führte seinen Schützling wieder zurück zu
seiner Kammer. Dabei sah er ihn den ganzen Weg über scharf von der Seite an.
Barn reagierte jedoch nicht, und der Trainer beließ es bei einem Knurren, als
er sich vom Barbaren verabschiedete.
"In einer Stunde geht's wieder los, Großer. Sei
bereit", sagte er noch, dann schlug er die schmale Tür hinter sich zu.
*
Wieder stand der Barbar vor dem grandiosen Spektakel des
Sonnenunterganges, und wieder donnerte die Stimme des Sprechers über ihm. Sie
verkündete die Herausforderung des jungen blonden Fremden durch Kärrn den
Killer. Ein ungeheurer Jubel brandete auf, denn der Killer war beim Publikum
beliebt. Die Dinge, die er mit seinen Gegnern anzustellen pflegte, bevor er sie
wirklich tötete, hätten selbst den Dämonenkönig Flabbergasst amüsiert, und den
Menschen von Dungg gaben sie ein Höchstmaß von Aufregung und Ablenkung vom
eigenen Elend.
Wie ein König betrat Kärrn den Sand der Arena. Er trug eine
vergoldete Rüstung, die den ganzen Körper schützte und in der sinkenden Sonne
leuchtete, als wäre sie glühendes Erz. Vier nackte, eingeölte Schönheiten
folgten dem Krieger und trugen die Enden des langen, purpurfarbenen Umhangs,
der von Kärrns breiten Panzerschultern fiel. Eine fünfte Nackte schritt hinter
ihnen, in den Armen eine riesige Axt, die Lieblingswaffe des Killers.
Papierblüten flogen wie Schnee in die Arena, während der
Killer den Umhang abstreifte und triumphierend die Arme hob. Flink rollten die
Schönheiten den Stoff ein und verließen den Kampfplatz. Kärrn drehte sich
langsam einmal um die eigene Achse und winkte dann die Axtträgerin herbei. Die
Menschen riefen laut den Namen des Killers. Demütig kniend übergab die Frau dem
riesigen Mann die Waffe. Kärrn riss die Waffe ebenfalls hoch über seinen Kopf
und drehte sich noch einmal im Kreis. Dann schob er den Helm zurück, packte die
Frau an den Haaren und zerrte sie auf die Beine. Er beugte sich über sie und
trank einen leidenschaftlichen Kuss von ihren Lippen. Das Geschrei von den
Rängen bekam religiöse Qualität. Kärrn schleuderte die Frau zurück in den Sand.
Auf allen Vieren kroch sie eilig davon.
Gegen all das wirkte Barn mit seinem Schurz und dem
Armpanzer hilflos bis lächerlich. Dazu kam noch, dass man ihm diesmal nur einen
langen Stock als Waffe gegeben hatte.
Die Trompeten bliesen ein Signal. Der Killer setzte sich
klirrend in Bewegung.
Das Publikum hielt den Atem an, und plötzlich herrschte im
weiten Rund der Arena eine Stille, die den Barbaren geradezu betäubte. Er
fühlte sich leicht, befreit, völlig sorgenlos. Sein Geist driftete mit den
violetten Wolken nach Westen. Als ein Sandfloh neben ihm hustete, wäre ihm vor
Schreck beinahe der Stock aus der Hand gefallen. Er blinzelte und fand die Welt
wieder.
Der Kerl in der goldenen Rüstung war nur noch zehn Schritte
weit entfernt. Die riesige Kriegsaxt schwang in einem langsamen,
hypnotisierenden Rhythmus vor und zurück. Sie gab dem goldenen Mann etwas
Düsteres, eine Aura des Verhängnisses: So mochte der Tod seine Sense schwingen,
wenn er über ein Schlachtfeld schritt.
Barn starrte auf die Axt. War da nicht irgendetwas mit einem
Plan gewesen? Sollte er nicht etwas ganz bestimmtes tun mit diesem Mann da
vorne? Er schüttelte den Kopf. Der Rhythmus der Axt machte ihn so nervös, dass
er keinen Gedanken fassen konnte.
Noch fünf Schritte. Jemand lachte irgendwo in dem weiten
Rund der Arena, ein weit entfernter, belangloser Laut. Doch er genügte, um Barn
wütend zu machen. Seine Augen verengten sich.
Was stand er hier und starrte diesen goldblitzenden Kerl an
wie ein Huhn das Hackmesser? Was ließ er sich auslachen, nur weil ihm irgendein
dummer Plan nicht gleich einfiel? Er, der einen Humpen und einen Hocker im
Männerhaus von Täppenwinkel gehabt hatte, noch bevor er die Burschweih völlig
bestanden hatte!
Mit gewaltigem Gebrüll stürmte er auf den Gegner zu.
Fast spielerisch unterlief er einen offensichtlich
ungeschickten Axthieb des Goldkerls und drosch dem Mann seinen Stock mit aller
Wucht in die Seite. Es dröhnte, und der schmucke Panzer bekam eine Beule. Barn
grinste, rollte sich zur Seite ab und sprang wieder auf die Beine, bevor die
Axt ein zweites Mal zuschlagen konnte. Diesmal landete der Stock in der linke
Kniekehle des Gegners, wo nur dünnes Leder die empfindlichen Sehnen schützte.
Der Goldkerl stöhnte und schwankte. Barns Grinsen wurde breiter. Angeberisch
ließ er den Stock um die Finger wirbeln, nur um dann blitzschnell zuzustechen.
Er traf die ungepanzerte Achselhöhle des Axtarms. Der Gegner ließ die Waffe
fallen. Barn sprang auf ihn zu und trat ihm kräftig gegen die Brust. Mit einem
entsetzlich hohlen Stöhnen sank der Goldkerl zu Boden.
Auch das Publikum stöhnte wie mit einer Stimme. Es war ein
entsetzlicher Laut; so musste es klingen, wenn zur Götterdämmerung die Toten
aus ihren Gräbern stiegen und die sterbende Sonne anheulten.
Der Barbar war jedoch nicht beeindruckt. In den norländer
Männerhäusern klang es an jedem Morgen einer durchzechten Nacht so. Mit knapper
Geste schleuderte er den Stock beiseite und griff nach der Axt, die vor ihm im
Sand lag. Probehalber schwang er sie durch die Luft. Die Luft pfiff. Es war
eine sehr gute Axt.
Dann sprang Barn brüllend direkt auf seinen immer noch
liegenden Gegner und enthauptete ihn durch einen so raschen wie brutalen Hieb.
Über ihm schrien Frauen schrill. Barn wischte den Goldhelm beiseite und packte
den abgeschlagenen Kopf bei den Haaren, um ihn hoch zum Publikum zu schwenken.
Da erkannte er seinen Kumpel Kärrn.
Er runzelte die Stirn. Irgendetwas war da doch gewesen. Sein
Kumpel und er, sie hatten etwas ausgemacht; da war so ein Einfall gewesen, den
Kärrn gehabt hatte, ein Trick, um aus dem Gasthaus raus zu kommen, ohne die
letzte Rechnung zu zahlen.
Während das Publikum sich von zögerndem Applaus langsam zu
wildem Jubel steigerte, stand Barn immer noch bewegungslos da, den Schädel in
der erhobenen Linken, die Finger der rechten Hand grübelnd um das breite Kinn
gelegt, und versuchte nachzudenken.
Schließlich tippte ihm von hinten jemand auf die Schulter.
Der Barbar drehte sich blinzelnd um und sah einen hässlichen, halb kahlen Mann
in einem schmierigen Lederwams vor sich stehen. Er trug einen Weidenkorb.
"Ich bin Aane der Abdecker, Kämpfer", erklärte er
und spuckte in den Sand. Ein Auge verzog sich zu einem wässrigen Zwinkern.
"Weißt schon, der Abdecker, ne? Kärrn hat mir alles gesagt."
Ohne eine Reaktion abzuwarten klaubte er dem Nordmann den
Kopf aus den Fingern und packte ihn in seinen Korb.
"Nee, nee, nee", brummte er dabei, den eigenen
Kopf schüttelnd. "Kärrn hat ja gesagt, dass ihr dat echt machen würdet,
aber dasser dat so echt kann, hättich echt nich' gedacht! Naja, auf jeden Fall
verdankt er dir die Freihheit, Kämpfer."
Aane nickte, schulterte den Korb und winkte zwei andere
Abdecker herbei. "Ihr zwei bringt mir den Rest von dem Kerl
hinterher!" rief er. "Und dann legt ihr ihn auf den Karren, der mit
den zwei rotbraunen Pferden bespannt ist, hört ihr? Auf den Karren mit den zwei
roten Gäulen!"
*
"Es ist großartig! Es ist außergewöhnlich! Das gab's
noch nie!" wütete Drakken Beilstein der Dritte, während er vor dem
Barbaren donnernd auf und ab schritt. "Der erste Kämpfer, der innerhalb
von drei Tagen von der vierten in die erste Klasse aufsteigt!"
Er blieb stehen und sah Barn mit seinem Auge stechend an.
"Ich frage mich nur, warum ich mich als der Trainer dieses Kämpfers nicht
darüber freuen kann!" brüllte er. "Weißt du vielleicht eine Antwort
darauf, Barn von Täppenwinkel?"
Der Nordmann zuckte mit den Schultern. Er war furchtbar
müde. Die halbe Nacht hatte man ihn wachgehalten und ihm zugejubelt, ihn
hochgeworfen und aufgefangen, ihm fässerweise Bier zu trinken gegeben und mehr
Fleisch vorgesetzt, als selbst ein Rudel Wölfe hätte fressen können. Er hatte
gesungen, sich geprügelt und getanzt. Mit mindestens einem Dutzend Mädels hatte
er sich an allen möglichen Orten wild vergnügt, mit ein paar weiteren hatte es
nicht mehr richtig geklappt.
Schließlich hatte man ihn sogar unter irgendeinem Tisch hervorgezerrt
und noch einmal hinaus in die Arena geschleift.
Dort hatte es dann zu viel Licht von zu viel Fackeln und zu
viel Schulterschläge von viel zu vielen neuen Kumpels gegeben, und erst hatte
ihm die Stimme des Sprechers den Kopf vollgedröhnt und dann der Jubel des Volks
auf den Rängen den Schädel zerrissen.
Nun taten ihm sämtliche Körperteile weh, in seinem Hirn
paarten sich Hornissen, und alles, was er von der Welt noch wollte, war Schlaf.
Doch in Barns neuem Zimmer hoch über der Stadt stand neben dem
Bett der Trainer, knirschte mit seinen genagelten Stiefeln auf dem Marmorboden
herum und machte ihm eine Szene wie einst seine Mutter daheim in Täppenwinkel,
wenn er mal wieder ein paar Tage zu lang in der Wildnis der hochnorländer
Wälder verschwunden gewesen war.
"Weil der großartige Kämpfer beschissen hat!"
beantwortete sich Drakken Beilstein gerade lautstark die eigene Frage.
"Weil es eine abgesprochene Sache war! Weil jeder mit ein bisschen
Verstand sehen konnte, dass Kärrn der Killer sich überhaupt nicht richtig
gewehrt hat!"
Er riss sich die Augenbinde vom Kopf, knüllte sie zusammen
und warf sie dem Barbaren vor die Füße. Mit einem Finger zeigte er auf die
grausige leere Augenhöhle inmitten von narbigem Gewebe.
"Sieh mich an! Ich bin ein anständiger Kämpfer!
Wahrscheinlich bin ich der letzte anständige Kämpfer in dieser ganzen
beschissenen Riesenschüssel voll Blutsuppe, die sich Arena nennt! Ich habe
gekämpft, wofür ich glaubte, kämpfen zu müssen! Ich bin Jon Ben Sissi gefolgt,
weil ich wusste, dass er Recht hatte, und ich habe mein Auge, meinen Rang als
Kämpfer und meinen Kampf verloren! Aber ich habe trotzdem nie beschissen!
Verdammt!"
Drakken bückte sich und hob seine Binde wieder auf. Dann
drehte er sich abrupt um und verließ den Raum mit stampfenden Schritten.
Barn verdrehte die Augen und fiel wie ein Stein auf das
Bett. Noch vor dem Aufprall war er eingeschlafen.
*
Kurz vor Morgengrauen fuhr der Barbar aus einem Traum hoch,
brüllte: "Verdammt! Jetz' is' der dumme Kerl ohne seinen Kopp abgehauen!"
und sank dann zurück in die Kissen, um weiter zu schlafen.
*
Das nächste Erwachen des Nordmannes kam ebenfalls einem
Traum gleich. Statt des barschen Trainers stand ein rehäugiges, in ein knappes
schwarzes Kleid gehülltes Mädel neben seinem Bett. Es blies sanfte Weisen auf
einem rosa Muschelhorn, während Barn grunzend und augenreibend in die Welt
zurück zu finden suchte.
"O Gebieter", hauchte es mit tiefer, warm
vibrierender Stimme, als der Barbar sich schließlich aufgerichtet hatte.
"Ich bin deine ergebene Sklavin Angina, und ich existiere nur, um dich zu
erfreuen und dir mitzuteilen, dass Besuch in deinem Salon wartet. Außerdem hat
Grok der Grobian um einen Termin gebeten. Ich denke, das erste Viertel nach der
dritten Stunde des Nachmittags könnte passen. Um Zwei kommt bereits der der
Schwertschleifer, und halb Drei ist Zeit für die Pediküre. Dann müssen
natürlich Vereinbarungen für die Kämpfe heute Abend getroffen werden - obwohl
Grok wahrscheinlich deshalb mit Dir reden will. Aber wir sollten auf jeden Fall
versuchen, auch Shartigk das Schwert für ein Duell zu bekommen. Wenn du erst
Grok und dann Shartigk schaffst, ist Dein Image als 'Guter Junge' solide wie
Granit. Aber zunächst wäre es Zeit für das Bad. Der Besuch kommt zwar vom Stab,
aber es ist ein Zeichen der Unabhängigkeit unsererseits, wenn wir ihn warten
lassen."
Barn konnte nur noch starren. Seine in der
menschenfeindlichen Eisöde des eisigen Hochnorlands geschulten Kriegersinne
waren nicht dazu geschaffen, eine solche Menge von Informationen zu
verarbeiten.
Angina zwinkerte und lächelte verbindlich.
"Überfordert? Das geht schon klar, Gebieter. Dafür bin ich ja da."
Sie klatschte in die Hände. "Mädchen, den
Bademantel" rief sie, wobei ihre Stimme alle Tiefe und Kehligkeit
vermissen ließ. Eine zweiflügelige Tür öffnete sich in der rechten Wand, und
zwei schlanke, vollbusige und völlig unbekleidete Frauen traten hindurch,
zwischen sich ein gewaltiges Stück dunklen Stoffs tragend. Es erinnerte Barn
ein wenig an ein abgezogenes Erdbärenfell.
"Das sind Sam und Pam", stellte Angina vor.
"Sie sind die beiden Besten, wenn es um Erfrischung geht. Sie werden dich
ins Bad begleiten."
Der Barbar brummte. Es war lange her, dass er das letzte Mal
gebadet hatte, und die Erinnerungen daran waren sehr ungenau. Aber ein gewisses
warmes Gefühl ließ ihn glauben, dass es ihm gut gefallen hatte. Er stieg aus
dem Bett und erlaubte Sam und Pam mit einem Grunzen, ihn in den Bademantel zu
hüllen. Dann straffte er die Schultern und sagte: "Ho, un' nun lass' uns
Spaß ham, Mädels!"
Die Mädels kicherten, fassten ihn an den Händen und führten
ihn durch die Tür hinein in eine weiß gekachelte Wunderwelt aus duftendem
Dampf.
*
Barn lag im heißen Wasser und hielt die Augen fest
geschlossen. Er hielt einen Becher mit starkem Rotwein in der Hand. Schmale,
kräftige Hände tanzten graziös über seinen breiten Rücken und kneteten seine
Muskeln. Eine liebliche Mädelstimme sang schmutzige Lieder, deren Texte an
Deutlichkeit keine Wünsche offen ließen. So mussten die Götter leben!
Der Barbar wusste, dass er den herrlichen, von Seife
glänzenden Körper der schönen Pam vor sich im Wasser sehen würde, wenn er sich
die Mühe machte, die Lider zu heben. Aber er hob sie nicht. Dieser besondere
Augenblick im Bad war einer der sehr, sehr seltenen Momente in seinem Leben, wo
ihm das Wissen um die Möglichkeit genügte.
Er nahm einen Schluck Wein und brummte leise wie ein großer,
zufriedener Bär, der sich nach einem langen und harten Winter zum ersten Mal
wieder den Bauch richtig vollgeschlagen hat und noch ein Sonnenbad nimmt, bevor
er den Bärinnen zeigt, wo der Hammer hängt.
Wahrlich, Vollduunheim, die Feste des Gottes Gruunz jenseits
des Randes der Welt konnte kaum größere Freuden bereithalten!
Dann drang das hässlich scharfe Geräusch einer schlagenden
Tür in seine gewaschenen Ohren, und ein unangenehm kalter Luftzug strich über
sein Gesicht und die Schultern.
"O Gebieter!" kam Anginas ärgerliche Stimme durch
den Dampf. "Die Herren des Stabes wollten nicht länger warten!"
Zwei große, dünne Männer mit harten Augen folgten der Stimme
unmittelbar und stellten sich am Rand des Badebeckens auf. Einer war
kahlrasiert, der andere hatte ein Dutzend sandfarbener Zöpfe wie ein
Schlangennest auf seinem Kopf arrangiert. Beide trugen leichte Bellybahs, die
in einem fantastischen Türkis strahlten, dazu Gürtel und Schmuckschwerter in
Knallgelb. Ihre Füße waren in stiefelartige Objekte aus grobem grauem
Sackleinen verpackt. Auch wenn Barn es nicht wusste: Das war der aktuelle
Kleidungsstil der schicken jungen Leute im Viertel des Stabes.
"Wir wollen's nicht übertreiben, hm, Kämpfer?"
sagte der Rasierte und zwinkerte. "So klasse bist du auch nicht, dass wir
auf dich warten."
Der Barbar sprang auf. Das Wasser im Badebecken spritzte und
schwappte und durchnässte die stiefelartigen Objekte der beiden Männer.
Schaumflocken stoben durch die Luft wie eine Herde verschreckter Schafe beim
Angriff des großen, bösen Wolfs. Pam und Sam duckten sich, bis nur noch ihre
Köpfe über dem seifigen Wasser zu sehen waren. Das gefiel dem Nordmann
überhaupt nicht.
Er atmete tief ein, bis seine muskelschwere Brust zu
beeindruckender Breite geschwollen war, dann fragte er barsch: "Ho?"
Die beiden Mitarbeiter des Stabes wichen ein paar Schritte
vom Beckenrand zurück. Ihre langen, arroganten Gesichter verfärbten sich in
Richtung Weiß. Der blondbezopfte Mann setzte ein verkrampftes Lächeln auf und
stotterte: "A-andererseits können wir auch ge-gerne versuchen, zu warten,
wenn Ihr es wünscht... bleibt nur im Bad, Kämpfer!"
"Wir wollen nur wissen, ob du die Kämpfe, die mit Kärrn
dem Killer vorausgeplant waren, ebenfalls übernimmst!" rief der Kahlkopf.
"Es wird alles arrangiert werden!" sagte Angina
von hinten. "Wir werden alle Verträge Kärrns erfüllen. Und noch ein paar
mehr aushandeln. Eure Arena wird voller sein als je zuvor, Diener des
Präsentors. Nur die Kasse muss stimmen."
Die schöne Frau mit den berechnenden Rehaugen trat durch die
Dampfschwaden und zwinkerte dem Norländer ermutigend zu.
"Kasse ist egal, Schwester. Was du willst",
erwiderte der Rasierte achselzuckend. "Nur bring' uns eine Show. Eine
richtige Show! Blut und Därme zur höheren Ehre unserer geliebten Arena und des
gottgleichen Königs Dunggur! Und eine Menge davon! Die Bauern werden immer
hungriger, das Militär hat Probleme mit den Soldzahlungen und der Verpflegung,
und in der Vorstadt soll sogar Jon Ben Sissi aufgetaucht sein! Nur eine gute
Show kann dem Reich jetzt helfen! Und dein Kämpfer ist neu und
unverbraucht!"
Angina nickte. "Kommt mit ins Vorzimmer", sagte
sie. "Alles weitere dort."
Sie verschwand in den Schwaden, und die Männer folgten ihr.
Erleichtert seufzend ließ sich der Barbar zurück ins heiße
Wasser gleiten. Er zwinkerte Sam und Pam zu. Die frische, kühle Luft von
draußen hatte in ihm den Wunsch nach körperlicher Betätigung geweckt.
Am Nachmittag wurde dem Nordmann nach dem völlig unbekannten
und erschreckenden Ritual der Pediküre ein weiterer Brocken aus der
Arena-Kollektion der lebenden Bergmassive vorgestellt: Er hieß Grok, trug den
Beinamen 'Der Grobian' und war etwas jünger als Drakken oder Grunter, denn die
Stoppeln auf seinem Kopf hatten noch den Farbton alten Getreides. Aber sein
Grinsen war gefährlicher als alles, was Barn in den Gewölben bisher gesehen
hatte - Groks Augen blieben dabei kalt und grau wie Haifischhaut.
Der Grobian kam ohne Umschweife zur Sache.
"Du hast was mit Kärrn abgesprochen wegen
abhau'n", stellte er mit rauer, tiefer Stimme fest. "Mir is' hier
auch langweilig. Will ma' wieder woanders Schädel knacken geh'n. Besieg' mich
im Kampf - nur nich' ganz so echt wie beim Kärrn. Dann kriegste meine Weiber
un' mein' roten Zwölfspänner-Streitwagen."
Barn grunzte und zuckte mit den Schultern.
"Is' also abgemacht." Grok stand auf. "Seh'n
uns inner Arena."
Schweren Schritts verließ er grußlos den Raum.
Angina, die neben Barn stand, lächelte entzückend. "Das
hätten wir.", sagte sie zufrieden. "Verprügle ihn vorher tüchtig, das
gibt Sympathiepunkte beim Publikum - Grok ist einer von den Bösen Jungs."
Barn ließ die kräftigen Schultern zucken. dass hier die
Leute extra zu ihm kamen, um sich verprügeln zu lassen, verstand er nicht. Der
Süden war wirklich seltsam!
*
An diesem Abend zogen schmale graue Wolken wie magere
Bergziegen über die trockene Wiese eines senfgelben Himmels. Scharfgezähnter
Wind trieb sie schneller nach Westen als jeder wilde Hund. Das aggressive
Heulen der Böen war noch tief unten in den Gewölben der Arena zu hören. Die
Vorzeichen eines gewaltigen Sandsturms waren unverkennbar.
Eigentlich war es noch nicht die Jahreszeit für einen
solchen Sturm, der seine launische Gewalt meist im Herbst über Dungg entlud und
die Menschen schrill kichernd unter Tonnen von fliegendem Sand erstickte.
Doch die Vorzeichen waren eindeutig gewesen. Den ganzen Tag
hatte sich kein Wind geregt. Schon am Morgen stand die heiße Luft in den
Straßen und auf den Plätzen. Wie der schale Glutatem eines feuerzüngigen Ifrits
ließ sie die Gärten verdorren, trocknete die Brunnen aus und trank den Menschen
den Schweiß aus der Haut. Und dann war der Himmel gegen Mittag gelb geworden.
Die Soldaten hinter den Holzwänden waren mürrisch. Sie hoben
ihre braunen Fäuste gegen den fahlen Himmel und verfluchten ihn, denn nach
einem Sturm gab es immer eine Menge mehr aufzuräumen als nach einem normalen
Arena-Abend.
Die ganze Arena war ungewohnt still, bis auf die lauten Rufe
des Wasserverkäufer, die ein Bombengeschäft machten. Selbst der Sprecher
dämpfte seine Stimme, als er den Nordmann als 'Bolz Berserker' ankündigte, ein
Name, den sich Sam und Pam ausgedacht hatten.
Unten auf dem Kampfplatz schmeckte Barn bitteren Wüstenstaub
auf den Lippen. Er trug die prachtvolle Goldrüstung seines Vorgängers Kärrn und
in der linken Faust den alten, katzenlederumhüllten Griff seines Schwertes
Windmacher. Er wartete auf Grok den Grobian.
Und der ließ ihn lange Zeit warten. Die Windböen wurden
heftiger, das Himmelsgelb noch giftiger.
Erst als die Menge auf den Rängen bereits murrte und pfiff,
öffnete sich das Tor.
Grok trat in einer grässlichen Aufmachung in die Arena: Er
war über und über mit struppigen Pelzen behängt, sogar auf seinem Kopf thronte
er eine spitze Tüte aus filzigem Fell, die auch sein Gesicht verbarg. In der
Rechten hielt der Grobian einen riesigen, mitternachtsschwarzen Morgenstern, in
der Linken eine Kette. An dieser Kette zerrte er sein Schoßtier, eine
bösartige, kahl rasierte Paviandame namens Pia hinter sich her.
Nach zehn Schritten blieb er stehen. Das Publikum verstummte
erwartungsvoll. Mit wohltönender Stimme begann Grok die Menschen auf den Rängen
zu beschimpfen. Dazu zog er in gewissen Abständen an der Kette, so dass Pia
schrill aufkreischte; und manchmal gab es noch eine obszöne Geste zur
Bekräftigung. Alles wirkte sehr routiniert und ein bisschen gelangweilt; Barn
verstand kein einziges Wort.
Aber den Zuschauern gefiel es. Sie ließen sich von Groks
professioneller Provokation bereitwillig in ein ekstatisches Hassgebrüll
treiben; bald schon flogen die seltsamsten Dinge in die Arena: Nasse Schwämme,
schimmliger Kuchen, tote Fische, kleine Hündchen, verfärbte Unterwäsche,
abgeschnittene Hammelohren und Koteletts und große Mengen einer braunen
Substanz, die in der Umgebung von Kamelherden häufig zu finden ist und vor der
Arena von armen Hirtenbuben verkauft wird.
Grok machte das alles offensichtlich nichts aus. Er lachte
dröhnend, und einmal hob er seine Fellmaske kurz, um einem Fisch demonstrativ
den Kopf abzubeißen. Die glitschigen Reste warf er zurück auf die Ränge.
Als sich das Publikum endlich verausgabt hatte, hob Grok den
Morgenstern und brüllte: "Un' jetz' werd' ich dir den blonden Pelz
scheren, Mädel!"
Mit schweren Schritten stampfte der Kapuzenmann auf den
Nordmann zu. Der brauchte eine Weile, bis er begriffen hatte, dass der haarige
Bursche mit dem 'Mädel' ihn gemeint hatte. Doch dann schnaubte er vor Wut:
Neben dem Austrinken des Bieres war die Bezeichung 'Mädel' das Schlimmste, was
man einem Krieger aus dem eisigen Hochnorland antun konnte. Mit gewaltigem
Kriegsschrei und wild wirbelnder Waffe stürmte Barn vorwärts.
Durch Schicksalsgott Audors Laune brach im gleichen
Augenblick der Sandsturm los.
Eine fast erstickend dicke Wolke wirbelnden Wüstenstaubs
wurde mit großer Gewalt in die Arena geblasen. In Augenblicksschnelle war die
Sicht auf dem Kampfplatz geringer als in einem Fass voller Stockfische. Es roch
nur anders.
Barn grunzte. Er kannte das. Wenn seine Mutter zu Hause die
Mehlfladen für das Julfest gebacken hatte, war es im Wohnraum ähnlich gewesen.
Und er hatte auch schon in Schneestürmen gekämpft. Wenn einen Mann die Augen
und Ohren, der Geruch und der Geschmack
im Stich ließen, musste er sich auf Tastsinn und Instinkt verlassen.
Und der Instinkt ließ ihn weiterlaufen, bis der Tastsinn mit
der linken Seite seines Gesichts sehr schmerzhaft ein Hindernis ertastete. Er
öffnete ein Auge einen winzigen Spalt breit. Dunkel und schwer ragte etwas im
Mahlstrom des fliegenden Sandes vor ihm auf. Er grinste. Hatte er den Gegner
schließlich doch gefunden! Er verpasste dem Schatten einige brillante
Hiebkombinationen und spürte, wie sein Gegenüber wankte. Blitzschnell wirbelte
er um seine Achse und benutzte Windmacher wie ein Holzfäller das Beil. So hatte
er schon manchen Strauchdieb enthauptet. Er wagte einen weiteren Blick.
Irgendwie schien der Gegner jetzt kleiner, aber er stand immer noch. Barn
hackte grunzend von links und von rechts auf ihn ein. Er blinzelte. Noch immer
war da diese breite Silhouette. Der Nordmann zerknirschte Sand mit den Zähnen
und packte den Schwertgriff mit beiden Fäusten.
Dann drosch er auf den Schatten ein, bis er keinen
Widerstand mehr spürte. Das dauerte eine ganze Weile.
Schließlich blieb er stehen, senkte den Kopf und überließ
sich kurz der aufreibenden Tätigkeit des Ein- und Ausatmens. Während er noch so
stand, ließ das raue Prasseln der Sandkörner auf seine Wangen jäh nach. Barn
öffnete die Augen wieder. So schnell er gekommen war, war der Sturm auch
vorüber gezogen, und der hochgewehte Staub rieselte um den Nordmann zu Boden
wie ein fallengelassener Liebhaber. Barn grunzte.
Vor seinen Füßen häuften sich die klein gehackten Trümmer
einer hölzernen Schutzwand. Einige völlig verängstigte Wächter knieten dahinter
im knietiefen Flugsand und hatten die Arme flehend erhoben.
*
Barn wurde in einem Triumphzug im roten Sportwagen seines
Gegners um die Arena gefahren. Zwölf schwarze Hengste bäumten sich vor ihm im
eleganten Gleichtakt auf. Zerfetzte weiße Papierblüten regneten auf ihn nieder.
Das Publikum skandierte: "Ber-ser-ker! Ber-ser-ker! Ber-ser-ker!"
Es hatte zwar niemand gesehen, was mit Grok dem Grobian
geschehen war, aber nach dem Sturm wurde nur noch seine Fellhaube in der Arena
gefunden, und daher sah man ihn allgemein als besiegt an. Barn wurde zum Sieger
erklärt und erhielt als Preis Groks Zwölfspänner sowie zwei verschreckte,
blasse und dürre Knaben. Angina nannte sie Bam und Spam und beschäftigte sie
mit Gartenarbeit.
Auf die besonders prestigeträchtige Beute der Paviandame Pia
musste der Nordmann leider verzichten, denn die Äffin blieb wie ihr Herr
verschwunden.
*
Barn genoss die erste Woche in der Oberklasse der Arena so
hemmungslos, wie das nur ein in der langweiligen Eisöde des unzivilisierten
Hochnorlandes aufgewachsener Nordmann konnte.
Seine Wohnung, die hoch über der Stadt an der Außenseite der
Arena lag, war luxuriös eingerichtet, und im Empfangszimmer wachte die stets
streng blickende Angina darüber, dass niemand den neuen Champion des roten
Sandes störte.
Neben dem Dampfbad verbrachte der Barbar viel Zeit im
angrenzenden Gymnastikraum, wo er seinen Mädels stundenlang beim Trainieren
zusah; außerdem lag vor dem Gymnastikraum ein schmaler Hängegarten, von dem man
einen großartigen Blick über die Dächer von O'Bah Dungg bis zu den Bergen
hatte. Der Garten war voller schattiger Plätze und kleiner Springbrunnen, an
denen Barn morgens seinen Durst löschte, wenn er am Vorabend wieder einmal ein
paar Biere zu viel geleert hatte. Das kam häufig vor.
Außerdem hatte er noch ein riesiges Schlafzimmer mit kühlen
Kissen aus Seide, auf denen sich zu allen Tageszeiten warme Körper räkelten.
Das Beste aber war: Wenn es ihm zu viel wurde, brauchte er
bloß in die Hände zu klatschen, und die ganzen Mädels verschwanden ohne
Geschrei.
Nur die allabendlichen Auftritte als Bolz Berserker
unterbrachen die herrlichen Tage voll Gesang und Spaß. Mittlerweile musste der
Nordmann oft zwei Kämpfe hintereinander bestehen. Jeder schien gegen ihn
antreten zu wollen. Und jeden besiegte er. Merkwürdig kam ihm dabei nur vor,
dass manche der Gegner schon umfielen, bevor er sie überhaupt getroffen hatte.
Aber er machte sich keine Gedanken darüber, solange es
Essen, Bier und Bademädels im Übermaß gab.
Doch dann kamen Kahlkopf und Blondzopf, die Männer des
Präsentors, wieder.
In geblähten Gewändern aus grellvioletter Seide, behängt mit
kleinen, rostigen Stachelkugeln, kamen die beiden so energisch in das Bad des
Barbaren gewankt, wie das auf grünlackierten Stelzenschuhen nur geht. Ihre
Gesichter waren hektisch gerötet.
"So läuft das nicht!", rief der Rasierte wütend
und schoss einen anklagenden Zeigefinger auf den Nordmann ab, der sich mit
Bekka und drei Freundinnen aus der Schautanzformation der Arena in heißem
Wasser wälzte.
"Ja, wirklich nicht!", bestätigte sein blonder
Begleiter aufgebracht. Er schwenkte eine Schriftrolle. "Wir haben
Verträge! Verträge!"
Barn grunzte und zuckte mit den muskelschweren Schultern.
Das war so eine Schrift-Angelegenheit. Mit Schrift hatte er nichts zu tun. Das
war die Sache von Angina.
Kahlkopf trippelte hektisch am Beckenrand hin und her.
"Du erschlägst einfach zu viele Kämpfer!" jammerte
er. "Wir wissen bald nicht mehr, womit wir das Vormittagsprogramm und die
Frühstückskämpfe austragen sollen! Und die Löffen und Snarks sind so satt, dass
sie die Bauern nicht mehr fressen wollen! Es ist eine Katastrophe! Tatsächlich
haben Bürger bereits versucht, ihre Dauerkarten zurückzugeben!"
Der Barbar schüttelte den Kopf und grunzte.
"Ho, ich komm', un' ich kämpfe! Das is' alles. So
krieg' ich mein Essen." stellte er dumpf fest. Dann wandte er sich wieder
seinen Begleiterinnen zu. "Lass' uns noch Schaum machen, Mädels."
"Was ist denn hier wieder los?" kam die spitze
Stimme Anginas von hinten. "Wer stört den König der Kämpfer?"
Kahlkopf fuhr herum und richtete seinen langen, dünnen
Zeigefinger nun auf die Frau, die den Raum betreten hatte. "Du, Schwester,
bist mitverantwortlich! Irgendwie sorgst du dafür, dass dein blonder Schatz
hier nur minderwertige Gegner bekommt, gegen die er mühelos gewinnt..."
"Was?" zischte Angina. "Waren Kärrn, Grok der
Grobian, Shartigk, Kondum von Kymmerien, Hackmann&Mettmann, Friedewanst der
Fetzer, Grabratte Ghulkopf, die Gebrüder Grimm oder Ede Fleischwolf und seine
sieben Geißler etwa minderwertige Kämpfer?"
Der Kahlkopf schnitt Grimassen. "Natürlich nicht."
gab er zu. "Aber er hat sie trotzdem plattgemacht. Und jetzt fehlen sie
uns. Die Leute langweilen sich. Seine Kämpfe sind vorhersagbar. Er gewinnt, und
das war's dann. Er ist nicht einmal besonders brutal. Vielleicht sollte
er..."
"Er wird Shainman Shatten herausfordern."
Die Augen von Blondzopf und Kahlkopf weiteten sich. Beide
hatten sichtlich Probleme, ihre Unterkiefer unter Kontrolle zu halten.
"Shainman?" stammelte Blondzopf. "A-aber -
niemand kommt gegen Shainman Shatten an. Shainman ist tödlicher als der Tod
selbst. Außerdem hat Shainman sich nach der Sache mit dem Aufstand von Jon Ben
Sissi zurückgezogen."
"Allerdings", stimmte Kahlkopf zu. "Den
Berserker gegen Shainman kämpfen zu lassen ist etwa so, als ließe ich ein Kleinkind
gegen ein Rudel Löffen antreten..." Er zögerte und begann zu grinsen.
"Eigentlich eine ganz hübsche Idee. Aber das Problem ist: Es dauert nicht
lang genug, um eine gute Show abzugeben."
"Das ist ganz einfach.", sagte Angina. "Wir
lassen sie nicht gleich mit Schwertern aufeinander los. Ich stelle mir das so
vor: Ein Abend ohne Waffen, dann einer mit Stöcken, und dann, als Höhepunkt,
das Schwertduell. Eine Riesenkampagne vorher natürlich."
Kahlkopf sprang vor Begeisterung fast in die Luft.
"Genial, Schwester! Ein Drei-Tage-Event! Das ist der Knaller! Sprich' mit
Shainman, wir sprechen mit dem Präsentor... wenn du das Ding zum Laufen
bringst, sind volle zwanzig Prozent für dich drin!"
*
Als der Barbar an diesem Abend nach dem Kampf - nichts
Besonderes; zwei Höhlenlöwen und zwei Halsabschneider aus den Südbergen - am
Geländer seines hängenden Gartens hoch über der Stadt lehnte und mit einer
gewissen Schwermütigkeit hinauf in den violetten Himmel starrte, wo die Sterne
so frei und freundlich funkelten, erschien plötzlich eine Gestalt neben ihm.
"Ja, der Himmel über Dungg strahlt immer wie eine
Schale voll kostbarer Steine.", sagte die Gestalt. Ihre Stimme war voll
und angenehm, wie der Humpen mit honigfarbenem Starkbier in der Faust des
Nordmannes. "Aber sonst gibt es hier nur noch Dreck. In jeder
Hinsicht."
Barn erschrak und wäre beinahe vom Balkon gefallen. Er
verschüttete sogar das Bier. Seine schier übermenschlichen Barbarensinne hatten
dieses Wesen weder kommen gehört noch die Annäherung auf andere Weise gemeldet!
Das Licht der Sterne verriet den geweiteten Augen des
Nordmannes nun, dass das Wesen neben ihm ein schlanker, dunkler Mensch mit
einem scharfgestutzten Bärtchen war, das wie glänzendes schwarzes Metall auf
Lippen und Kinn klebte. Der schwarze Mann lachte. Es war ein sanftes, dunkles
Lachen ohne jede Bosheit. Aus dem schönen Gesicht leuchteten grüne Augen voller
Nachsicht.
"Wenn du weniger getrunken hättest, hättest du mich
kommen gehört.", erklärte er. "Ich bin Shainman Shatten. Aber du kannst
mich Shanka nennen."
Barn brummte und sah den Mann unglücklich an. Er mochte
Kerle nicht, die sich lautlos an ihn anschleichen konnten. Er mochte auch Kerle
nicht, die so unverschämt gut aussahen. Und diesen Kerl hier mochte er noch
viel weniger.
"Du hast mich also herausgefordert?" fragte
Shanka. Er grinste ein perlweißes Grinsen, das so perfekt war wie der ganze
gruunzverdammte Rest von ihm.
Der Barbar zuckte mit den Schultern. Er erinnerte sich
nicht. Aber es war schon möglich. Ein Nordmann forderte einen Gegner
traditionell durch einen Ladung Bier ins Gesicht heraus, und er hatte viel Bier
vergossen in letzter Zeit.
"Ich wäre bereit, gegen dich zu kämpfen.", sagte
Shanka. "Mir ist langweilig, ich habe dieses Schattendasein satt. Ich habe
dich in der Arena gesehen. Du bist gut."
Barn nickte.
"Aber nicht gut genug.", fuhr Shainman Shatten
fort und zwinkerte. "Dir fehlt die Feinheit. Du kämpfst wie die
Mittagssonne in der Wüste - du schlägst mit aller Kraft erbarmungslos zu, bis
nichts mehr steht. Ich bevorzuge es, wie der Mond zu kämpfen - sein sanftes
Licht scheint keine Kraft zu haben, und doch bewegt er das Meer und kann
Menschen den Verstand rauben. Und wie der Mond liebe ich es, von Zeit zu Zeit
unsichtbar zu werden."
Er verbeugte sich ein wenig, wurde aber nicht unsichtbar.
Stattdessen fasste er mit langen, schlanken Fingern nach dem breiten Kinn des
Barbaren und hob dessen Kopf, bis er in Barns trotzige blaue Augen blicken
konnte.
"Ich muss darauf bestehen, dass du dich in der Kunst
des Kämpfens übst.", wisperte er sanft wie der Nachtwind. "Sonst wird
nichts aus uns beiden. Das werde ich auch Angina sagen. Und den Männern des
Stabes."
Und bevor der Nordmann noch grunzen konnte, hatte Shainman
Shatten sich schon umgedreht und von der Dunkelheit schlucken lassen.
*
Wie eine geballte Faust stand Drakken Beilstein der Dritte
in der Tür von Barns Gemach. Es war früher Morgen. Seit Shainmans Erscheinung
hatte der Nordmann kein Bier mehr angerührt, und deshalb hatten seine
barbarischen Sinne ihn bei Drakkens polternder Annäherung sofort geweckt. Barn
starrte den Mann irritiert an. Der Gesichtsausdruck des Trainers hätte selbst
Statuen flüchten lassen.
"Ich bin nicht deinetwegen hier!", war das erste,
was Drakken zwischen seinen Granitlippen hervorpressen konnte. "Shainman
Shatten hat mich gebeten, einem billigen Schläger ein paar Tricks beizubringen.
Und ich war Shainmans Bruder noch einen Gefallen schuldig. Also komm' mit in
die Trainingshalle, oder ich muss dich hin prügeln."
Barn grunzte und stand auf. Er lächelte sanft. Mit solchen
Worten hatte ihn auch sein Vater früher immer geweckt!
"Jetzt greif' mich an!" befahl Drakken barsch. Er
hatte seine Ledertunika und die hohen Schnürsandalen ausgezogen und stellte die
beeindruckenden, grau bewaldeten Bergflanken seines Granitkörpers zur Schau.
Barn trug ebenfalls nur einen Schurz. In der Trainingshalle war es noch kalt
von der Nacht. Der Atem drückte sich in fröstelnden kleinen Wölkchen vor den
Mündern der Männer herum.
Nachdem Barn verstanden hatte, dass der alte Bursche ihn
tatsächlich dazu aufgefordert hatte, ihn mit bloßen Fäusten zu verdreschen,
schritt er breitbeinig und selbstbewusst auf den Trainer zu, wie er es aus
Hunderten von Kneipenschlägereien gewohnt war. Die Arme hatte er dabei vor dem
straff gespannten Bauch angewinkelt, damit die dicken Bizeps und die kräftigen
Brustmuskeln besonders angsteinflößend hervortraten. Viele Gegner wurden schon
allein von diesem Anblick in die Flucht geschlagen.
Drakken Beilstein jedoch stand völlig entspannt da. Sein
Blick schien durch den Barbaren hindurch zu gehen. Seine gewaltige Brust hob
sich kaum.
Barn grinste, als er seine linke Faust mit der Gewalt eines
Schmiedehammers auf den alten Mann abschoss. Dass sich jemand freiwillig zum
Verhauen anbot, das gab es nur hier, in diesem seltsamen Gasthaus!
Doch dann passierten noch seltsamere Dinge. Drakken tauchte
unter dem Schlag weg, packte den Arm des Barbaren, und plötzlich tauschten
Decke und Boden der Halle den Platz. Der Boden ging auf dem Weg der
Unverschämtheit sogar noch einen Schritt weiter und warf sich mit Wucht gegen
den Rücken des Barbaren. Der grunzte und schüttelte sich. Das war Zauberei!
Finsterste schwarze Magie!
Drakken trat neben den Barbaren und stieß ihn unsanft mit
einem Fuß in die Seite.
"Jetzt steh' wieder auf, und dann das Ganze nochmal,
bis du es kapiert hast."
Am Abend dieses Tages war Barn sogar zu erschöpft für sein
tägliches Bad. Er winkte die Mädels mit matter Hand aus dem Schlafzimmer, fiel
auf das Bett und war sofort eingeschlafen.
Pünktlich zum Sonnenaufgang stand Drakken wieder in der Tür
und brüllte den Barbaren aus den Decken. Barn brüllte auch, als er aufzustehen
versuchte. Er war so voller Prellungen, dass eine reife Pflaume gegen ihn blass
wirkte. Aber der Trainer war gnadenlos, und so fand sich der Nordmann nach
einer Zeit besinnungsloser Agonie in der Trainingshalle wieder, wo sein Körper
einen weiteren Tag damit zubrachte, jede Fingerbreite des Bodens
kennenzulernen.
So ging es eine ganze Woche. Danach wurde es für Drakken
langsam schwieriger, den Barbaren hereinzulegen. Am Ende der zweiten Woche lag
der Trainer keuchend vor Barn auf dem Boden und nickte mühsam.
"Mehr kann ich dir nich' beibringen, Großer.",
stieß er hervor. "Geh' nun un' ruh' dich aus. Morgen üben wir mit
Stöcken."
Mit den Stöcken war es ähnlich wie mit den Fäusten. Nach
zehn Tagen schmerzhafter Übungen prügelte der Barbar grinsend seinen Trainer
durch die Halle.
*
"Du hast noch drei Tage bis zu deinem ersten Kampf gegen
Shainman", sagte Drakken, während er in sein Bier blickte. "Die Stadt
brodelt. Jede Bildwand im ganzen Land zeigt nur noch dich un' Shainman. Die
schwindelschnellen Burschen des Präsentors haben sich selbst übertroffen, un'
wenn man ihnen glaubt, dann fiebert jetzt jeder Sandfloh in Dungg den Kämpfen
entgegen."
Barn grunzte und zuckte mit den Schultern. Seiner Meinung
nach waren alle um ihn herum völlig durchgedreht. Seit fünf Tagen wurde er
dreimal täglich in einem riesigen bunten Wagen durch die Stadt gefahren und
musste sich vom hohlwangigen Volk mit weißen Papierblumen bewerfen lassen.
Außerdem musste er jeweils zum Ende aller sechs Arenaprogramme hinaus in den
Sand laufen und brüllend und schwertschwingend eine Runde rennen, während sich
der Sprecher vor Ekstase überschlug und zwanzig nackte Tanzmädels bunte Tücher
an Stangen schwenkten und 'Ber-ser-ker' riefen.
Drakken Beilstein schien der Einzige zu sein, der ihn nicht
anhimmelte. Obwohl die beiden Männer täglich zusammen trainierten, blieb der
alte Kämpfer Barn gegenüber verschlossen. Selbst als er den Nordmann auf einen
Krug Bier unten in Grunters Küche eingeladen hatte, hatte seine Stimme nicht
besonders freundlich geklungen. Und jetzt saßen sie einander gegenüber, und die
Miene des alten Kämpfers war finsterer als je zuvor.
"Ich bin ein altmodischer Mann", fuhr Drakken
fort. "Ich bin in dieser Stadt geboren worden und bin hier aufgewachsen.
Seit ich denken kann, lebe ich für die Arena. Und ich war immer stolz auf mich
und mein Land."
Der Trainer trank. Dann ließ er plötzlich eine Faust auf den
Tisch donnern. Das gefiel dem Tisch nicht sonderlich gut. Er knirschte und
knackte.
"Ich habe also auch verflucht nochmal ein Recht darauf,
dass dieses Land mich anständig behandelt!", schrie Drakken wütend.
"Es wird doch jeder Emporkömmling aus dem Nirgendwo mit Ehren überhäuft,
obwohl er so käuflich ist wie eine Bratwurst! Früher, zu meiner Zeit, da wäre
das nie passiert! Früher ging es darum, das Volk mit ehrlicher Unterhaltung aus
seinem harten Alltag zu holen! Jetzt wird das Volk betrogen und belogen! Das
Land verkommt immer mehr, während die armen Lumpen mit bunten Bildern, faden
Fechtern und nackten Weibern in die Arena gelockt werden, damit sie nicht
merken, wie elend ihr Leben ist!"
Schweratmend verstummte der alte Krieger. Er blickte wieder
grimmig in seinen Krug, als wäre der kühle Saft darin an allem schuld.
Schließlich hob er den Kopf wieder. Sein Auge funkelte. Mehr
denn je sah er aus wie das steinerne Abbild eines aus gutem Grund vergessenen
Gottes der Gewalt. Dann grinste er. Diesmal wurde sogar dem Barbaren flau im
Magen.
"Du hast was gut bei mir!" dröhnte der Trainer,
dass dem Barbaren vor so viel spontaner Herzlichkeit die Ohren schmerzten.
"Ich hab' gedacht, du wärst auch nur ein weiterer Aasgeier, der im
halbtoten Leib meines Landes nach Gewinn wühlt... aber dann hab' ich gehört,
dass du Jon Ben Sissi gerettet hast, oben an der Grenze!"
Drakken ließ einen Arm über den Tisch schnellen und
verpasste dem Nordmann einen kräftigen Schlag auf die Schulter. Dann zwinkerte
er Barn freundlich zu. Sein Gesicht wirkte, als stünde der alles vernichtende
Bergrutsch kurz bevor.
Doch stattdessen trat von hinten eine verhüllte Gestalt an
den Tisch und setzte sich neben den Trainer.
Die Gestalt schob die Kapuze zurück. Große, grüne Augen
lachten den Norländer aus einem dunkelbraunen Gesicht an.
"Barn von Täppenwinkel, alter Barbar!" rief Jon
Ben Sissi überschwänglich.
Barn blinzelte und runzelte die Stirn. Es dauerte eine
gewisse Zeit, bis er den Schwätzer aus der Wüste erkannte, aber es war immerhin
auch schon drei Wochen her, dass er ihn das letzte Mal gesehen hatte.
"Ho, Mann!" brummte der Barbar dumpf. dass er sich
auch noch an den Namen des Kerls erinnerte, konnte nun wirklich niemand
verlangen.
Jon grinste auf seine breite Art. Seine schlanken Hände
spielten wie nervöse Kätzchen miteinander.
"Wir haben uns in den Bergen ja leider
irgendwie..." Er hob entschuldigend die Schultern. "Irgendwie aus den
Augen verloren... aber ich sehe, dass du deinen Weg auch so gemacht hast...
Champion Erster Klasse... da kann ich nur gratulieren..."
Er streckte dem Nordmann eine schlanke Hand hin. Der knurrte
warnend und legte einen muskelschweren Arm schützend um seinen Bierkrug.
Der schlanke Mann stutzte kurz, dann wollte er sich schier
ausschütten vor Lachen.
"Haha, immer noch der alte Scherzbold!" rief er
und stieß Drakken den Ellenbogen in die Seite. Der Trainer schnaubte nur kurz.
Sehr plötzlich wurde Jon dann wieder ernst und beugte sich
verschwörerisch zu dem Barbaren herüber.
"Du wirst einem alten Bekannten eine kleine Bitte
bestimmt nicht abschlagen..."
Barn blickte Jon scharf an. Da konnte kommen, was wollte,
dem Burschen würde er keinen Tropfen Bier abgeben!
Jon neigte den Oberkörper noch weiter vor.
"Ich habe Kämpfer um mich gesammelt.", raunte er.
"Sie sind bereit, gegen die Unterdrücker loszuschlagen. Aber sie müssen
auch wissen, dass das Volk auf ihrer Seite ist. Sie brauchen ein Zeichen."
Der Barbar nahm demonstrativ einen großen Schluck Bier und
rülpste. Jon wich ein wenig zurück.
"Aber das Volk braucht selbst ein Zeichen, um zu
erkennen, dass es die Revolution will!", fuhr er dann fort. "Seit
dreißig Jahren ist König Dunggur unfähig, das Land zu erhalten, und
veranstaltet stattdessen Spiele! Und jetzt vertrauen die Bürger der
schillernden Scheinwelt der Arena mehr als ihrem eigenen leeren Magen! Menschen
verhungern, weil sie lieber Eintrittskarten kaufen als Essen. Niemand arbeitet
mehr, denn alle, die noch Kraft genug haben, schleppen sich in die Arena. Die
wenigen noch fruchtbaren Felder verkommen, die Bewässerungsanlagen zerfallen,
es wird nichts mehr produziert - außer Unterhaltung. Das muss aufhören!"
Barn rieb sich die Stirn. Jons Rede war wie ein Rauschen in
seinem Kopf. Er grunzte. Früher hatte ihn ein Krug Bier nie so müde gemacht.
Das kam alles nur von diesem seltsamen Leben, immer nur in einem Gebäude, immer
nur Baden, Essen, Schlagen, Schlafen! Das war auf die Dauer nichts für einen
Krieger aus dem Norland. Bei der nächsten Gelegenheit würde er nach dem Weg
nach Täppenwinkel fragen und verschwinden, bei Gruunz!
Voll Entschlossenheit ließ er die Linke auf die Tischplatte
krachen. Der Tisch fand immer noch keinen Gefallen an dieser Art der
Behandlung. Er bekam einen Riss.
Jon interpretierte den Schlag als Zustimmung.
"Genau!" rief er und hieb ebenfalls auf das
strapazierte Holz. "Schluss damit! Das Volk muss aus seiner Unmündigkeit
herausgeführt werden! Und du kannst uns dabei helfen!"
Er setzte sich wieder hin.
"In drei Tagen ist dein Kampf gegen Shanka. Aber Shanka
wird dich nicht angreifen. Es ist alles abgesprochen. Was passiert, ist nicht gegen
dich gerichtet, sondern ist für meine Kämpfer das Zeichen für den Beginn der
Revolution. Alles, worum ich dich bitte, ist, ruhig zu bleiben. Du bleibst
einfach stehen und tust gar nichts, in Ordnung?"
Barn grunzte.
"Also abgemacht!" rief Jon Ben Sissi. "Es
lebe die Revolution!"
Drakken und er standen auf. Zum Abschied klopfte Jon mit den
Fingerknöcheln einmal auf die Tischplatte. Der Tisch knarrte ein letztes Mal.
Dann brach er zusammen.
*
Trompeten ertönten überall von den Dächern von O'bah Dungg.
Bunt bemalte Tauben kreisten in dichten Wolken über der Stadt. Im Viertel des
Stabes brannten riesige Feuer, deren Rauch mit Duftölen aromatisiert war.
Lieblich singende Chöre goldbehängter Hostessen begleiteten die Mengen der
heranströmenden Zuschauer auf der Prachtstraße zur Arena. Sprecher mit großen,
bronzenen Schalltrichtern brüllten die Namen von Sponsoren und Dienstleistern
ins Publikum. Riesige Bildtafeln mit Darstellungen des blonden Berserkers und
der verhüllten Gestalt des geheimnisvollen Shainman Shatten wurden
herumgetragen. Glocken wurden geläutet. An allen Ecken verkauften Männer des
Präsentors Papierblumen und Fähnchen; weiß für Bolz Berserker, schwarz für
Shainman. Freundliche Schläger in den Uniformen der königlichen Soldaten
achteten mit einem Lächeln auf den Lippen darauf, dass niemand die Umzäunungen
durchbrach, und ihre weniger freundlichen Kollegen in den anderen Teilen der
Stadt sorgten dafür, dass wirklich niemand das größte Spektakel des Jahres
verpasste. Sie durchsuchten alle Häuser und trieben die Einwohner mit Knüppeln
auf die Straße.
Es wurde wie immer viel geschrien und wenig gelacht.
In der marmorgetäfelten Vorbereitungshalle der Ersten Klasse
plätscherten parfümierte Fontänen in polierte Silberschalen und brachten sie
zum Klingen. Aber die wunderbar leichte, feenhafte Wassermusik konnte das immer
lautere Geschrei von draußen nicht mehr übertönen. Barn lief unruhig hin und
her und fluchte immer wieder. Er trug nur eine weite, weiße Tuchhose mit hohem
Bund und Riemen an den Fußgelenken. Drakken und Angina hatten stundenlang auf
ihn einreden müssen, denn der Barbar hatte mit der angeborenen Trotzigkeit
eines Hochnorländers nicht einsehen wollen, dass er seine goldene Rüstung heute
nicht anziehen durfte. Entsprechend nervös beäugten die beiden ihren Kämpfer
jetzt auch. Auf der zerklüfteten Stirn des Trainers hatte sich ein kleiner
Gebirgsbach aus Schweiß gebildet, und Angina zog alle Augenblicke ihr viel zu
knappes Kleid zurecht; außerdem warf sie hektische Blicke auf Kahlkopf und
Blondzopf, die in einer Ecke saßen und alles kauten, was sie an Fingernägeln an
ihren Händen finden konnten.
Ein Bote mit gehetzten Augen kam durch eine kleine Tür
hereingerannt.
"Herren! Meine Herren!", rief er. "Shainman
Shatten ist noch immer nirgendwo zu finden!"
Kahlkopf sprang auf. "Was soll das heißen?"
brüllte er.
"Keine Ahnung!" gab der Bote zu, drehte sich um
und verschwand wieder.
Das beruhigte Kahlkopf natürlich überhaupt nicht. Mit
weiten, klatschenden Schritten - es waren gerade Sandalen mit übergroßen Sohlen
in Mode - kam er auf Angina zu.
"Schwester, eins sage ich dir - wenn dein Projekt
absäuft, kannst du deinen entzückenden Hintern direkt ins Löffengehege
tragen!", schrie er. "Die Soldaten haben sogar Alte und Kranke,
Hochschwangere und Neugeborene in die Arena geschleppt, damit wirklich das
gesamte Volk sieht, wie gut wir es unterhalten! Das Schicksal des gesamten
Reiches hängt von diesem Kampf ab! Du bist dem König und dem Präsentor
persönlich dafür verantwortlich, dass der Abend ein voller Erfolg wird!"
Doch die Frau war so leicht nicht einzuschüchtern.
"Wie ich euch zwei Knaben kenne, habt ihr dem König die
Idee doch als eure eigene verkauft, oder?" höhnte sie. "Warum sollte
er also meinen Hintern haben wollen, wenn er ihn gar nicht kennt?"
Der Mann blieb recht abrupt stehen. Sein Kahlkopf verfärbte
sich rötlich.
"Wir durften gar nicht direkt zum König!", maulte
Blondzopf von hinten. "Wir haben mit einem stellvertretenden
Vizeassistenten des Präsentors gesprochen. Das ist auch ein wichtiger Mann.
Sagt er. Der Präsentor und der König seien seit in einer wichtigen Besprechung
in der Königsloge der Arena. Da würde nicht einmal Gott Buulb selbst
vorgelassen, wenn der käme, hat er gesagt."
Trainer Drakken schnaubte verächtlich. "Das kriegt man
von euch seit Jahren zu hören, wenn man was von euch will!"
Aber niemand achtete mehr auf ihn, denn in diesem Augenblick
kam der Botenläufer wieder.
"Shainman Shatten steht jetzt im Torraum der Vierten
Klasse bereit.", keuchte er. "Das heißt, es geht jetzt los.",
ergänzte er dann mit einem giftigen Blick auf Kahlkopf.
"In Ordnung." Drakken packte den Barbaren an der
linken Schulter und hielt ihn fest. "Jetz' geh'n wir's an, mein Großer!"
dröhnte er zuversichtlich. "Denk' an alles, was du gelernt hast! Ich seh'
dich in der Arena!"
Dann flüsterte er noch: "Lauf vor die Wand bleib da
stehen. Tu gar nichts, was auch passiert. Kriegst'n Fass Bier von mir, wenn
alles klappt!"
Barn brummte und bohrte mit dem kleinen Finger der rechten
Hand im linken Ohr. Drakken war kein besonders erfahrener Flüsterer. Er hatte
ziemlich gesabbert.
Vor dem Barbaren öffnete sich das elegante,
silberbeschlagene Tor der Ersten Klasse. Abendlicht und ein ungeheurer Lärm
kamen herein.
Mit mürrischem Gesicht setzte sich der Nordmann in Bewegung.
Er sah immer noch nicht ein, warum er heute die goldene Rüstung nicht tragen
durfte.
Das Geschrei, das ihn draußen erwartete, war schlimmer als
alles, was er bisher in der Arena erlebt hatte. Es war wie harter Hagel,
schmerzend am ganzen Körper. Trotzdem hob er die Arme und schwenkte sie grüßend
durch die Luft. Papierblumen und Kleidungsstücke regneten auf ihn nieder. Barn
schwor bei Gruunz, dass es wirklich das letzte Mal war, das er so etwas machte.
Er senkte die Arme wieder und bewegte die Schultern, um sich
zu lockern.
Der Sand unter seinen Füßen war noch heiß von der Sonne und
den Kämpfen des Tages. Beim Gehen stießen seine nackten Zehen manchmal gegen
weiche Dinge, die die Abdecker beim Aufräumen übersehen hatten.
Der Gegner war eine schmale, dunkle Gestalt, dreihundert
Schritte entfernt. Obwohl Barn die sinkende Sonne im Rücken hatte und seine
Augen scharf wie die eines Schneeadlers waren, konnte er nicht viel erkennen.
Scheinbar war der Bursche von oben bis unten in dicken schwarzen Stoff gehüllt.
Der Nordmann grunzte und grinste. Das würde ihn nicht davor bewahren, furchtbar
verhauen zu werden, hoho!
Und verhauen würde er ihn, denn entgegen seiner sonstigen
Art hatte der Barbar die unheimliche Begegnung im Garten noch nicht vergessen.
Dafür hatte ihn der schwarze Mann viel zu sehr erschreckt.
Der Gegner ließ sich Zeit. Langsam und gelassen ging er auf
Barn zu. Der Barbar brummte ärgerlich. Das Publikum schmerzte ihm so sehr in
den Ohren, dass er den Kampf heute schnell hinter sich bringen wollte. Er
beschleunigte seinen Schritt.
Plötzlich stach ihn etwas in den linken Fuß. Er fluchte laut
und blieb stehen. Er blickte nach unten. Aus dem Sand ragte etwas auf, ein
dicker, gebogener Holzstab mit einer glänzenden Sehne daran, und eine
metallblitzende Spitze an einem dünneren Stab. Die Spitze hatte seinen linken
großen Zeh geritzt.
Barn grunzte. Da lagen Pfeil und Bogen im Sand! Er spuckte
aus. Jeder Nordmann verachtete diese feige Waffe, die es sogar einem Mädel
möglich machte, einen Krieger zu töten!
Er nahm den Bogen und zerbrach das geschmeidige Holz über
dem Knie. Damit würde niemand mehr jemandem in den Rücken schießen, bei Gruunz!
Ein schriller Schrei kam von vorne. Barn schleuderte den
Bogen beiseite und beugte sich kampfbereit vor. Er grinste. Plötzlich hatte es
der schwarze Kerl eilig. Schreiend und gestikulierend kam er angerannt.
Der Sprecher ließ seine Stimme durch die Arena donnern, und
was er sagte, verursachte einen ungeheuren Jubel. So konnte Barn nicht
verstehen, was der schwarze Kerl brüllte, als er nun mit einem Riesensatz auf
ihn zusprang.
Er duckte sich in Erwartung des Angriffs und kreuzte die
Unterarme vor dem Gesicht.
Doch Shainman Shatten griff den Nordmann nicht an.
Stattdessen fiel er auf die Knie und starrte auf den zerbrochenen Bogen.
Barn verlagerte eine Zeitlang das Gewicht von Fuß zu Fuß,
ballte die Fäuste und entspannte sie wieder, knurrte und grunzte und versandte
stechende Blicke, bis ihm auffiel, wie unnötig das alles war.
Er trat einen Schritt vor, immer noch wachsam, aber auch mit
wachsender Verärgerung. Was sollte denn dieser Unsinn? Da machten alle einen
Riesenaufstand wegen diesem gruunzverdammten Angeber, und jetzt konnte der gar
nicht richtig kämpfen, sondern fiel einfach um!
Shainman schien nun erst auf ihn aufmerksam zu werden. Er
hob den Kopf und betrachtete den Barbaren, als wäre er etwas, was ein großer,
fetter Vogel mit schlechter Verdauung gerade fallen gelassen hatte.
"Du Idiot!" zischte Shainman und schwenkte die
Reste des Bogens. "Wie soll ich jetzt den Sprecher erschießen?"
Aber Barn hörte die Worte gar nicht. Er starrte auf seinen
Gegner. Sein Verstand mühte sich mit aller Macht, zu begreifen, was er da sah.
Schweiß lief über Shankas Gesicht. Der schwarze Bart war verrutscht und klebte
wie ein ekliger Essensrest an einer Wange. Und ohne den Bart sah der Kerl gar
nicht mehr aus wie ein Kerl. Der Barbar knirschte mit den Zähnen. Ihm kam ein
ungeheurer Verdacht.
Mit einer blitzschnellen und eleganten Bewegung beugte er
sich vor, packte Shainman vorne am Gewand und riss ihn auf die Beine. Dabei
riss auch der schwarze Stoff. Und was darunter zum Vorschein kam, gehörte auf
keinem Fall einem Kerl!
"Ein Mädel!" brüllte der Barbar außer sich. Er hob
die Fäuste und schüttelte sie. "Ihr wolltet mich gegen ein Mädel kämpfen lassen!"
Das Publikum wurde plötzlich ruhig.
Shainman hielt den Stoff über den Brüsten zusammen und
zischte: "Ich hätte gekämpft. Und ich hätte dich fertig gemacht. Aber mein
Bruder hatte diese andere Idee."
Der Nordmann schüttelte nur den Kopf und stieß das Mädel
grob von sich. Dann drehte er sich um und stampfte mit festen Schritten durch
den Sand auf die geschmückten Balkone des Königssegments zu. Die Sonne war
hinter der Arena versunken. Eifrige Sklaven entzündeten rings um den Kampfplatz
Tausende von Fackeln. Das flackernde hellrote Licht ließ den Sand wie eine
Abendwolke schimmern. Doch Barn hatte keinen Blick für diese Schönheit. Seine
Zähne knirschten aufeinander, während in ihm die Wut wuchs und wuchs und wuchs.
Er hatte Geschrei und Prügel ertragen, auf Bier, Bäder und
Spaß verzichtet und täglich trainiert, um sich auf diesen Kampf vorzubereiten;
sogar seine goldene Rüstung hatte er stehen lassen - und dann stellte man ihm
ein Mädel hin! Ein Mädel!
Jemand auf diesen bunten Balkonen würde dafür bezahlen
müssen!
Der unterste Balkon des Königssegments lag mehr als ein
halbes Dutzend Barbarenlängen über dem Boden, unerreichbar selbst für den
kräftigsten Löffen. Aber die einst glatte Mauer hatte unter der Zeit und den
Sandstürmen gelitten und bot einem geübten Kletterer kleine Rinnen und Kerben
als Halt für Finger und Zehen. Und Barn, der schon als Kleinkind von mehr
Felsen gefallen war als ein Seemann in seinem ganzen Leben, war ein geübter
Kletterer.
Vor der Mauer standen allerdings drei mit Spießen bewaffnete
Soldaten und blickten nervös dem Barbaren entgegen.
"He! Was immer du vorhast, Berserker!", rief einer
und hob seine Waffe. "Ich werde dich auf jeden Fall... nicht daran
hindern!" Er warf den Spieß in den Sand und rannte davon. Seine beiden
Kameraden zögerten kurz, dann eskortierten sie ihn dabei.
Barn lachte geringschätzig und grub seine Finger in die
Wand. Wie eine Spinne kletterte er schnell und sicher bis zu dem vorspringenden
Rand des Balkons, den schwarzgoldenes Tuch bedeckte. Er packte es und riss es
mit einem Ruck ab. Wie Geierflügel sank der Stoff dem Sand entgegen. Schrilles
Geschrei ertönte, als der Barbar sich dann auf die Brüstung schwang. Er
blinzelte.
In der prachtvoll ausgestatten, gut beleuchteten Loge waren
einige leicht bekleidete und sichtlich übergewichtige Männer erschrocken
aufgesprungen und versuchten jammernd, sich hinter den schlanken Leibern
nackter Sklavinnen zu verstecken. Als der Barbar verächtlich knurrte, plumpsten
zwei der Männer ohnmächtig auf die polierten Marmorfliesen.
Barn schüttelte den Kopf, ging in die Knie und sprang dann
hinauf zum Geländer der zweiten Loge. Die dicken Kerle interessierten ihn
nicht. Weiter oben gab es jemanden, der ihm nicht erst heute gewaltig auf die
Nerven gegangen war: Den Sprecher.
Hinter der zweiten Brüstung sah es aus wie hinter der
ersten. Männer und Frauen flohen kreischend, als der Barbar zwischen sie
sprang, Tische und Liegen hochriss und aufeinander stapelte. Der Balkon des
Sprechers lag so hoch über ihm, dass er durch einen Sprung nicht zu erreichen
war.
Ein etwas beherzterer Knabe zog einen Dolch aus seinem
modischen Umhang und stürzte sich auf den Nordmann. Der unterbrach das Stapeln
nicht einmal, sondern schlug den Angreifer einfach wie eine lästige Fliege
beiseite und nahm sich den nächsten Tisch.
Als die improvisierte Treppe höher als die Stirn des
Barbaren aufragte, bestieg Barn das gefährlich knirschende Gebilde und bekam
nach einem gewagten Satz gerade noch ein Sims zu fassen. Unter ihm brach der
Stapel zusammen.
Eine Zeit lang ruderten die nackten Füße des Barbaren in der
Luft. Dann fanden seine Finger eine Zierkordel, die mit genügend dicken
Golddrähten durchwebt war, um einen zweihundertfünfzig Pfund schweren Krieger
auszuhalten. Barn schwang daran hin und her, bis er ein Bein auf die
vorspringende Brüstung über sich bringen konnte.
Als der Barbar endlich schnaufend in die Loge des Sprechers
geklettert war, dröhnte ihm aus einer Reihe von fünf fast mannshohen
Bronzetrichtern ein Schrei entgegen, der ihn zu Boden warf. Der Lärm war
schlimmer als ein Schlag auf den Schädel.
Aber der Mann aus dem Hochnorland war viel zu wütend, um
sich davon lange aufhalten zu lassen. Fluchend sprang er auf und drosch so
lange auf die Riesentrompeten ein, bis sie nur noch verbeulter Schrott waren.
Dahinter fand er ein kleines, zitterndes Männchen auf einem Hocker. Sonst war
niemand zu sehen. Barn grunzte und packte den Mann an seiner knittrigen
Bellybah. "Wo is' der Sprecher,
Zwerg?" dröhnte er gefährlich.
"Ich bin der
Sprecher, K-kämpfer!" stammelte der Mann.
Barn kniff die Augen zusammen und schickte dem Kleinen
seinen bedrohlichsten Blick. "Lüg' mich nich' an!"
"I-ich bin es wirklich!" Der Mann zeigte auf
seinen Mund. "Hör doch meine Stimme!"
Barn runzelte die Stirn. Tatsächlich klang der Bursche wie
der Sprecher, nur irgendwie viel leiser.
Plötzlich fühlte der Barbar sich, als habe ihm jemand auf
den Kopf geschlagen. Die geringe Größe des Mannes, dessen donnernde Stimme ihn
durch den heißen Sand der Arena gejagt und ihn verhöhnt hatte, brachte seinen
ganzen Plan durcheinander. In seiner simplen Phantasie hatte er sich den
Sprecher als einen Bären von einem Kerl vorgestellt, der es wert war, dass man
ihm beide Fäuste mit aller Kraft unter das Kinn schmetterte, und zwar mehrfach,
bei Gruunz!
Er schüttelte den Sprecher wütend.
"Oh bitte!" jammerte der Mann mit letzter Kraft.
"Ich bin genauso nur ein Diener der Arena wie du! Nicht mal meine Texte
darf ich selber schreiben! Lass deine Wut an jemandem aus, der besser bezahlt
wird!"
Der Barbar grunzte. Es würde ihn tatsächlich nicht besonders
beruhigen, dieses Männlein hier zu verprügeln. Mit einer mürrischen Bewegung
schleuderte er den Sprecher gegen die Wand und setzte sich auf den Hocker.
Jetzt musste er erstmal überlegen, was er weiter unternehmen wollte.
Auf den Rängen der Arena war Unruhe entstanden. Bis auf die
reglos im Sand sitzende Shanka war das fackelerleuchtete Rund unten leer, und
das war nicht besonders unterhaltend. Mit sich allein gelassen und ohne
Schauspiel begannen die Zuschauer untereinander zu streiten. Viele weinten auch
fassungslos.
Dabei war um sie einiges los. Soldaten rannten durch die
Sitzreihen auf das Segment des Königs zu, um Bolz Berserker aus dem Balkon zu
holen. Andere Soldaten versuchten sie aufzuhalten, weil die Kletterei ihrer
Meinung nach zum Programm gehörte. Die Erfrischungshändler mit ihren Bauchläden
nutzten die Pause und priesen lautstark Knabbereien und Getränke an.
Und dann sprang ein schmaler, langer Mann von den untersten
Sitzreihen durch die Flammen auf den drei Meter tiefer liegenden Sand und lief
auf die Mitte zu, wo Shainman Shatten kauerte. Der Mann hatte einem
Platzanweiser die Sprechtüte aus gehämmertem Kupfer entrissen und stellte sich
damit breitbeinig neben die Frau.
"Volk von Dungg!" brüllte er durch die Tüte.
"Mancher von Euch kennt mich vielleicht: Ich bin Jon Ben Sissi."
Auf den Zuschauerrängen wurde es noch lauter, denn viele
kannten Jon Ben Sissi nicht und fragten die Nachbarn, wer der schmale Mann sei
und gegen wen er schon gekämpft habe.
Die Soldaten dagegen wussten sehr gut, wer Jon Ben Sissi
war: Auf seinen Kopf war seit sechs Jahren eine Belohnung von fünfhundert Fekal
ausgesetzt, sowie eine lebenslange Ehrenkarte für die Arena inklusive freier
Getränke und einer Bockwurst täglich. Sie zogen ihre Schwerter und bahnten sich
rücksichtslos einen Weg durch die Menge nach unten.
Doch plötzlich standen aus den Reihen der Zuschauer dunkel
gekleidete Männer mit Kapuzen auf, die ebenfalls Waffen in den Händen hielten.
Sie stellten sich den Soldaten entgegen. Die Uniformierten waren davon so
überrascht, dass sich die meisten widerstandslos entwaffnen ließen. Die anderen
gingen den üblichen Weg von Verlierern in der Arena.
"Volk von Dungg!" begann Jon erneut. "Ich
stehe heute Abend hier vor Euch als Sprecher der Revolution! Wir werden uns
befreien! Wir werden die Herrschaft der Unterdrücker abschütteln und ein neues
Dungg aufbauen, einen Staat, in dem jeder an jedem Tag genug zu essen hat, eine
Arbeit und ein Dach über dem Kopf! Wir werden die Bewässerungsanlagen
reparieren, die Felder wieder bestellen und die Steuern abschaffen! Und alle
sieben Tage gibt es freies Eis für alle Kinder!"
Er machte eine Pause, aber falls er Begeisterung erwartet
hatte, wurde er enttäuscht. Dem Publikum war von den Akteuren auf dem Sand
schon weitaus Aufregenderes versprochen worden.
Jon fuhr sich durch die Haare. Er senkte die Sprechtüte und
sagte etwas zu Shainman. Die gestikulierte wild und zeigte auf das Segment des
Königs. Jon machte eine beruhigende Geste, hob die Tüte wieder und fuhr fort:
"Bolz Berserker steigt in diesem Augenblick hinauf zur Loge des Königs, um
ihm einen Katalog mit unseren Forderungen zu überreichen..."
Jetzt jubelte die Menge. Sie ließ sogar weiße Papierblumen
auf Jon Ben Sissi regnen.
Denn wenn der
Berserker mitmachte, dann war das wohl in Ordnung mit der Revolution.
Der Berserker hatte gerade beschlossen, noch nicht zu
denken, sondern erst einmal etwas zu Essen zu suchen - die ganze Aufregung
hatte ihn hungrig gemacht - da hörte er lautes Geschrei und das Klirren von
Waffen.
Er kniff die Augen zusammen, als ein Mann vom Balkon über
ihm herabstürzte und dicht neben seinen Füßen aufschlug. Was, bei Gruunz, war
denn jetzt schon wieder los? Konnte ein Mann hier nicht einmal in Frieden
Hunger haben? Knurrend stand er auf, riss ein dickes Bronzerohr von etwa drei
Füßen Länge aus den Resten des Stimmverstärkers und ließ es einmal prüfend
kreisen. Wenn jemand Ärger haben wollte, sollte er ihn bekommen!
Vom Arbeitsplatz des Sprechers führte eine schmale
Holztreppe zum Balkon darüber. Gebückt rannte der Barbar die Stufen hinauf, das
Rohr wie ein Schwert schräg über dem Kopf. Er durchbrach ein hölzernes Türchen
und stand auf einer breiten, marmorgefliesten Terrasse, auf der sich Soldaten
mit Männern in dunklen Kapuzenumhängen schlugen. Einige Tote lagen herum.
Für die Dunklen sah es schlecht aus, denn die Uniformierten
hatten sie bereits bis zum Balkongeländer gedrängt und drängten immer noch. Ein
Soldat mit rotem Gesicht und verbeultem Helm drehte sich um, sah den Barbaren
und brüllte ihn an.
"Steh' nich' so rum, Sklave, lauf' zur Wachstube und
hol' Verstärkung! Die Kerle wollen den König töten!"
Barn blickte mit gerunzelter Stirn hinter sich, sah dort
aber keinen Sklaven. Dafür sah er aus einem schmalen Tor an der Seite des
Balkons weitere Soldaten kommen.
"Da!" schrie ein Mann mit Goldhelm. "Der Kerl
mit der weißen Hose, das ist Bolz Berserker! Er führt diesen Aufstand an. Tötet
ihn!"
Vier Uniformierte mit gezogenen Schwertern rannten von vorne
auf den Barbaren zu, und auch die Soldaten hinter ihm scheinen das Interesse an
den Kapuzenmännern zu verlieren und sich lieber mit ihm anlegen zu wollen.
Barn wich zurück, bis er den rauen Stein einer Marmorstütze
im Rücken fühlte. Er brummte.
Es waren mehr Gegner, als er Finger an den Händen hatte, und
sie waren viel besser bewaffnet als er. Selbst wenn das Bronzerohr dem
geschmiedeten Stahl der Klingen standhielt, welche Chance hatte er, damit die
Lederpanzer der Soldaten zu durchbohren?
Nur gut, dass er sich nicht wirklich Gedanken darüber
machte, sondern nach guter alter Norländerart einfach brüllend nach vorne
stürmte und sein Rohr wirbeln ließ. Drei Soldaten warfen ihre Waffen gleich weg
und flohen, zwei weitere sanken auf die Knie und flehten um Gnade. Und die
restlichen sieben sahen sich plötzlich nicht nur einem wütenden Barbaren,
sondern auch fünf gut bewaffneten Männern in Kapuzenumhängen gegenüber.
Barn blickte sich hektisch um und entdeckte in einer Kapuze
ein bekanntes Gesicht. Ein sehr hässliches Gesicht. Es gehörte Grabratte
Ghulkopf, einem Kämpfer, der schon blutend vor Barn in den Staub der Arena
gesunken war, bevor der Barbar ihn überhaupt mit dem Schwert berührt hatte.
Diesmal jedoch kämpfte er gut. Barn kam nicht dazu, sein
Rohr am Schwert eines Soldaten zu erproben.
Als der Kampf vorbei war, nahm Grabratte den Barbaren
beiseite. Er kicherte. "Keine schlechte Idee, den Plan zu ändern un' dich
statt der Zicke Shanka hier rauf zu schicken.", rief er. "Kommt viel
besser an bei den Leuten, würd' ich wetten. Haste geseh'n, wie die drei
Soldaten abgehau'n sin', als du gelaufen kamst?"
Hinter Grabratte waren zwei Kapuzenmänner dabei, die
Besiegten mit Vorhangkordeln zu fesseln. Zwei andere mühten sich mit einer
Leiter ab, die sie gegen die Brüstung des über ihnen liegenden Balkons lehnen
wollten. Aber die Leiter war zu kurz. Ihr oberes Ende schwankte kurz unterhalb
des Geländers wie ein Betrunkener beim Eislaufen.
"Komm', Berserker, du kanns' doch klettern wie 'ne
Mücke auf 'nem Priesterarsch!", rief Grabratte und zeigte auf die Leiter.
"Wir wollten eigentlich von hier unten zum König hochsteigen, als die
Soldaten uns überrascht ham. Shartigk das Schwert un' ein paar Kumpels
versuchen es von innen, aber da sin' noch viel mehr Wachen!"
Barn maß die Leiter mit einem kritischen Blick, dann
wuchtete er seine zweihundertfünfzig Pfund hinauf. Begleitet von den Flüchen
der Männer, die die Leiter halten mussten, stieg er hoch, packte die Brüstung
und zog sich empor. Diesem Wirtskönig würde er jetzt seine Meinung so deutlich
machen, dass der einen Mond lang nicht mehr sitzen konnte, ho!
Aber was er dann sah, hätte ihn beinahe wieder rückwärts in
die Tiefe stürzen lassen. Das schwere Bronzerohr fiel ihm aus der Hand und
pfiff am Ghulkopf von Grabratte vorbei, der dicht hinter ihm geklettert kam.
"Eh, du Volldepp, was..." wütete der hässliche
Mann, als er neben Barn in die Loge sprang. Dann sah auch er und verstummte.
Erst nach einer Weile fand er wieder Worte. Und es waren keine sehr schönen:
"Scheiße, was issen hier passiert?"
Es war dunkel auf dem Balkon, aber von den Seiten fiel genug
Licht hinein, um das Unglaubliche deutlich zu machen. Inmitten von Gerümpel,
Sandverwehungen und zerfetzten Vorhängen lagen auf den Stufen vor einem
verwitterten Thron zwei vertrocknete Leichname. Die mumifizierten Körper waren
auf bizarre Weise miteinander verflochten, denn am Ende ihres Lebens hatten sie
einander eng umarmt und sich dabei gegenseitig Dolche in den Leib gerammt.
"Bei Buulb! Der König un' der Präsentor!"
Grabratte deutete auf die Kleidungsreste, den schmalen Goldreifen um den geschrumpften
Schädel des einen und die schwere Kette mit einem silbernen dreizackigen Stern
in einem Kreis um den brüchigen Hals des anderen. "Aber die sin' bestimmt
schon 'n paar Jahre tot... hat das denn niemand gemerkt?"
Der Barbar starrte mit gerümpfter Nase auf die beiden Toten.
dass man in einem Gasthaus die Kammern derart verkommen ließ, gefiel ihm nicht.
Er spuckte in den Staub.
"Ho, Kumpel, das is' jetz' genug!" verkündete er.
"Jetz' geh' ich heim nach Täppenwinkel."
Der hässliche Mann kratzte sich das borstige Kinn.
"Abhaun is' vielleicht keine ganz dumme Idee..."
Da begann ein dumpfes Pochen im Boden, und es knarrte und
krachte, als würden welke Sehnen gedehnt, um längst tote Körper zu bewegen.
Wolken pfeffrigen Staubes wirbelten hoch. Barns Nackenhaare stellten sich auf
wie die Stacheln eines erschrockenen Igels. Der Norländer sah, wie ein Zittern
durch die beiden Mumien lief. Obwohl er aus Erfahrung wusste, dass eine Klinge
wenig gegen die Wut der Toten half, fuhr seine Linke instinktiv hinter sein
rechtes Ohr, dorthin, wo sie normalerweise den abgewetzten Griff des Schwertes
Windmacher fand.
Das Pochen wurde zu einem Donnern, und nun begann ganz
deutlich der Thron zu hüpfen. Die Mumien rutschten raschelnd die Stufen
hinunter.
Grabratte fluchte und fuchtelte mit seiner Waffe hilflos in
der Luft herum. Die Furcht machte sein Gesicht nicht hübscher. Barn knirschte
mit den Zähnen, damit sie nicht klapperten.
Da stürzte der Thron mit einem gewaltigen Getöse von seinem
Podest, zerbrach auf den Stufen und begrub die beiden Leichen unter seinen
Trümmern.
Dort, wo der Thron gestanden hatte, gähnte eine Öffnung. Und
aus der Öffnung hob sich erst eine Fackel, dann lugte das schmale Gesicht von
Shartigk dem Schwert hervor. Der Kämpfer sah sich mit zusammengekniffenen Augen
um, dann erkannte er die beiden Männer unter sich und schnitt eine Grimasse.
"Und ich dachte, ich wäre der Erste auf dem Ball des
Königs.", brummte er missmutig. "Wo habt ihr zwei den alten Sack denn
hin geschafft?"
Grabratte hatte gewisse Probleme mit seiner Atmung und
konnte erst nach einer Weile antworten. Und wie immer waren seine Worte nicht
die gewähltesten.
"Sag mal, du Riesenarsch, musst du alte Kumpels so
erschrecken?" schrie er. "Dein Scheiß-König liegt da unter dem Rest
von dem Scheiß-Thron, un' er sah vorher schon schlechter aus als sein Stuhl
jetz'!"
"Bitte?" Shartigk hob eine buschige Braue.
"Der König is' tot! Mausetot!" brüllte Grabratte.
"Un' nich' erst seit gestern! Un' der Präsentor liegt neben ihm, genauso
kalt, genauso steif, genauso trocken!"
Shartigk kletterte ächzend aus dem Loch und hob die Fackel,
um besser sehen zu können. "Tot? Beide?“
Er stieg die Treppen hinunter und versetzte den Trümmern des
Throns einen Stoß mit dem Fuß. Den beiden Leichen hatte die Behandlung nicht
sehr gut getan, aber sie waren tot genug, um sich nicht zu beschweren.
Draußen im Rund der Arena begann das Publikum nach Bolz
Berserker zu rufen.
"Verdammt!" fluchte Shartigk. "Holt Jon Ben
Sissi hier rauf!"
Drakken Beilstein, Grunter der Koch und Shanka begleiteten
den dünnen braunen Mann, als er den Balkon des Königs betrat. Die Wachen am
Eingang hatten sich den Aufständischen ergeben, und so konnten die vier durch
die arg mitgenommene offizielle Prunktür gehen, deren Angeln nur deshalb nicht
verrostet waren, weil man sie aus Gold geschmiedet hatte.
"Das mit dem Bier kannste vergessen, Großer!"
knurrte der Trainer den Barbaren an, als er an ihm vorbeiging. "Aber wie
du die Mauer hoch bist - alle Achtung." Er schlug Barn auf die Schulter.
Shanka funkelte den Mann aus dem Norden böse an, sagte aber
nichts. Grunter nickte knapp. "Komm nachher runter in die Küche",
brummte er. "Heute gibt es zur Feier des Abends wieder einen
Grottengruul!"
Jon Ben Sissi schob seine Begleiter beiseite und trat zu den
beiden Mumien.
"Die beiden sind tot? Und keiner hat es gewusst? Das
ist ja zum Lachen!" sagte er und lachte. Es war kein besonders echtes
Lachen. "Und was sagen wir den Leuten da draußen?"
Er zeigte über die Brüstung auf die wogende Masse, die die
Ränge bedeckte wie ein stürmisches Meer bei Nacht. Die Zuschauer hatten sich in
eine rhythmische Raserei gesteigert. Ihre Rufe kamen mit der Gewalt von
Hammerschlägen: "Ber-ser-ker! Ber-ser-ker! Bolz! Bolz!"
"Wenn ihr mich fragt", sagte Grabratte Ghulkopf
und deutete mit einem dreckigen Daumen auf Barn. "Schickt ihr am besten
unseren gelbhaarigen Freund hier aufs Geländer un' lasst ihn mal lieb
winken."
"Es fragt dich aber keiner, Ratte!", polterte
Drakken gereizt.
Jon verzog das Gesicht und hob eine Hand. "Streitet
euch nicht. Wir müssen nachdenken."
Der Barbar grunzte nur. Wie konnte dieser Bursche ans
Denken, wenn da draußen so laut gebrüllt wurde, dass einem der Schädel
schlimmer dröhnte als ein Bierfass beim Anstechen?
Er hielt sich die Ohren zu, aber der Ruf des Publikums war
so mächtig, dass er die Arena erschütterte, den Boden unter den Füßen des
Nordmannes zum Beben brachte und auf diesem Umweg immer noch Zugang zu Barns
Kopf fand. Das war zu viel, selbst für einen mit den lärmenden Männerhäusern
der bierliebenden Nordmänner vertrauten Barbaren aus Täppenwinkel. Mit einem
riesigen Satz war Barn auf dem handbreiten Geländer des königlichen Balkons,
hob die Fäuste und brüllte mit allem, was Lunge und Kehle hergaben: "Ruhe,
verdammt nochmal!"
Das Volk von Dungg sah im Feuerschein die halbnackte, muskulöse
Gestalt mit den wirren hellen Haaren auf dem Balkon und geriet in Ekstase. Ein
ungeheures Stöhnen hob sich dem Barbaren entgegen. Es war ein Stöhnen der
Erleichterung, der Erwartung, der Hoffnung.
Den unsensiblen Nordmann machte es allerdings nur noch
wilder. Wenn ihn Drakken und Grunter nicht von hinten gepackt und herab gezerrt
hätten, wäre er wahrscheinlich vor Wut von der Balkonbrüstung gesprungen.
Das schnelle Verschwinden des Berserkers brachte das
Publikum kurz zum Schweigen. Doch schon erhob sich ein anderer Ruf, zunächst
ganz leise, nur aus wenigen Kehlen, schließlich aber wieder donnernd laut:
"König Bolz! König Bolz! König!"
"Verdammt!" fluchte Jon Ben Sissi oben auf dem
Balkon. "Dieser Idiot! Und diese Schafe! Ich werde zu ihnen sprechen
müssen."
Vorsichtig stieg er auf das Geländer. Die Menschen
verstummten kurz, aber nachdem alle gemerkt hatten, dass er nicht der
gewünschte Mann war, forderten sie noch lauter danach, den Berserker zum König
zu machen. Als Jon erkannte, dass er selbst mit seiner Sprechtüte nicht gegen
den Lärm und die Begeisterung ankam, beugte er sich nieder zu Drakken, der
hinter ihm stand.
"Ich habe eine Idee.", sagte er zu dem Trainer.
"Sieh zu, dass du die Krone von diesem Schädel da runter bekommst. Und
stell den Barbaren nochmal hier rauf!"
Drakken kniff sein Auge zusammen. "Ist das eine gute
Idee?" brummte er.
"Sie hat schon einmal funktioniert."
Drakken schüttelte den Kopf, tat aber, was Jon gesagt hatte.
Die Krone vom vertrockneten Haupt des Königs zu nehmen war so einfach wie Nüsse
knacken. Dem Barbaren musste man allerdings erst zwei Fetzen von Jons Bellybah
in die Ohren steckten, bevor er sich bereit erklärte, noch einmal auf die
Brüstung zu steigen.
Als er erschien, brach ein ungeheurer Jubel aus, der erst
nachließ, als auch der Zäheste sich heiser geschrien hatte. Jon nahm die Finger
aus den Ohren, hob eine Hand und zeigt damit auf Barn.
"Ja, Volk von Dungg!", sprach er durch seine Tüte.
"Vor euch allen steht der neue König! Der alte König Dunggur ist... zu
müde, um weiter zu regieren. Er wird das Land verlassen, um eine alte Tante in
Thenil zu besuchen, was er immer schon einmal vorhatte, wozu er aber nie kam.
Er hat unserem blonden Helden die Krone übergeben. Hoch lebe König Bolz
Berserker!!!"
Die Menschen holten das Letzte aus ihren wunden Kehlen, um
in Jons Ruf einzustimmen. Der schmale Mann zog die Krone aus seiner Bellybah,
hob sie hoch und ließ sie im Licht der tausend Fackeln funkeln. Dann setzte er
sie auf den Kopf des Barbaren. Die Menge keuchte ergriffen.
Barn knurrte. Noch so ein übler Blödsinn! Die Morgensonne
würde ihn auf dem Weg nach Hause sehen, und wenn er dazu auf einem Pferd reiten
musste!
Er schüttelte noch einmal wütend die Faust, dann sprang er
zurück auf den Balkon. Dort schleuderte er den Kronreif in eine Ecke, riss sich
die Stofffetzen aus den Ohren und sagte: "Ich geh' jetz'."
Drakken packte den Barbaren an einem Arm und wollte ihn
wieder zum Geländer ziehen, aber Jon winkte ab. "Lass ihn.", sagte
er, während er von der Brüstung kletterte. "Wenn er freiwillig geht, umso
besser."
Der Trainer sah den schmalen Mann an, als habe der eben
einen Aal geküsst.
"A-aber - ihr habt ihn doch eben zum König
gemacht...", stotterte er, "Was sollen wir dem Volk sagen?"
"Gar nichts.", sagte Jon grinsend. "Den alten
König und den Präsentor hat auch niemand vermisst. Sie waren eben bei einer
Besprechung. Sogar die Mitarbeiter des Stabes und die Wachen direkt vor dieser
Tür haben sich keine Gedanken gemacht. Alles ist so gut organisiert, dass es
von selbst läuft, solange alle glauben, was man ihnen erzählt. Wenn das Volk
meint, das Bolz Berserker hier oben sitzt, sitzt Bolz Berserker hier
oben."
"Aber - das ist doch Betrug!" rief Drakken. Er sah
so verwirrt und besorgt aus, wie ein Felsmassiv nur aussehen konnte.
Jon legte einen Arm um Drakkens Schultern. Er hatte sehr
lange Arme, trotzdem reichte es fast nicht.
"Mach' dir keine Sorgen, mein Freund. Vertrau
mir.", sagte er mit warmer Stimme. "Wir müssen das Volk vor sich
selbst schützen. Wenn wir alles Bekannte auf einmal verändern, gibt es nur
Durcheinander. Also werden wir die Dinge noch eine Weile so weiterlaufen lassen
wie bisher. Mit Arena und Kämpfen und allem. Und im Hintergrund arbeiten wir
und machen alles besser. Verstehst du?"
Drakken nickte, obwohl er nicht glücklicher wirkte als vor
Jons Erklärung.
Jon lachte und klatschte in die Hände.
"Dann ist ja alles prächtig!" rief er. "So,
jetzt möchte ich noch, dass du den Barbaren ganz unauffällig aus der Arena und
über die Grenze schaffst. Wenn er noch etwas mitnehmen möchte, lass ihn. Aber
verlier keine Zeit."
Jon bückte sich, um den schmalen Goldreif aus dem Staub zu
holen. Mit breitem Grinsen setzte er die Krone auf.
"Na bitte - mir passt sie auch!"
*
Es war bedrückend heiß in der engen, aufwärts führenden
Schlucht. Der Fels schien zu glühen, und die Luft gaukelte allerlei
fantastische Bilder vor. Barn nahm zum dutzendsten Male den Wasserschlauch aus
der Bellybah, entkorkte ihn und trank ein paar Schlucke der heißen Brühe.
Drakken hatte ihn ermahnt, mit dem Wasser sparsam zu sein, aber wenn ein Mann
Durst hatte, hatte er Durst, da konnten selbst die Götter nichts machen, bei
Gruunz!
Er rülpste bekräftigend. Jemand neben ihm rülpste ebenfalls,
laut und hallend. Barns Hand fuhr zum abgegriffenen Knauf seines Schwertes
Windmacher. Er zog die Waffe und knurrte bedrohlich. Jemand neben ihm knurrte
bedrohlich. Das machte den Nordmann wütend. Er hob die Klinge über den Kopf und
brüllte: "Ho, komm un' zeig' dich, du feiger Hund!" Jemand neben ihm
brüllte: "Ho, komm un' zeig' dich, du feiger Hund!"
Barn runzelte die Stirn. Wollte man ihn verhöhnen?
Doch dann fiel ihm ein, dass es zu Hause in den Bergen an
gewissen Stellen etwas Ähnliches gegeben hatte. Wenn man rief, wurde die eigene
Stimme von Geistern zurückgeworfen. 'Echo' hatte Godskalk der Druide das
genannt.
Der Barbar räusperte sich. Dann richtete er sich auf und
begann ein zotiges Norländer-Trinklied zu grölen, das schauerlich von den
Wänden der Schlucht widerhallte. Er sang erst eine Strophe, lauschte dann
grinsend seinem eigenen Geschrei, dann sang er weiter, und grinste und lauschte
erneut.
So hätte das ewig weitergehen können, denn
Norländer-Trinklieder sind so lang wie die eisige Norland-Nacht, wenn nicht
eine scharfe Stimme, die ganz bestimmt kein Echo war, von vorne:
"Halt!" gerufen hätte.
Sieben Männer in der Uniform von Grenzsoldaten traten auf
den Pfad. Ihr Anführer, ein kleiner, drahtiger Mann mit einer großen
Raubvogelnase und einem kleinen, gefetteten Spitzbärtchen, schritt mit
erhobenem Schwert auf den Barbaren zu.
"Soso, wieder ein Hungerleider, der sich ungesehen aus
dem herrlichen Land meines Königs Dunggur schleichen will! Das mag ich
überhaupt nicht, denn das ist gegen das Gesetz!"
Das Maultier erschrak und bäumte sich auf. Die schöne
goldene Rüstung fiel scheppernd zu Boden, und der Barbar folgte ihr. Er wollte
sofort wieder aufspringen, aber der Muli war in Panik und trat ihm bei seinem
Fluchtversuch mit beiden Hinterläufen so kräftig gegen den Kopf, dass für Barn
alles schwarz wurde.
*
Barn öffnete die Augen einen Spalt.
Er lag, in dicke Ketten gewickelt, auf der Pritsche eines
Ochsenkarrens. Die Sonne brannte auf ihn herab und ließ seine Lippen trocken
werden.
Zwei Männer in schmutzigen Bellybahs marschierten neben dem
Karren. Sie trugen Speere über den Schultern.
"Eh, Fahradh!" rief der eine. "Unser Mann is'
wieder wach! So schnell schon! Na, ich verwette meinen Monatssold, dass er ein
Champion wird!"